Start TOP Stachelritter und Wildtier des Jahres 2024 Braunbrustigel im Fokus

Stachelritter und Wildtier des Jahres 2024 Braunbrustigel im Fokus

Igel „Luca“ ist ein Jungigel, dieses Jahr geboren. Er war schwach und unterernährt gewesen, da er offenbar von der Mutter getrennt wurde. Torsten Jäger hat ihn gepäppelt, damit er in der Natur überleben kann. Im Herbst sollte ein Igel mindestens 600 Gramm wiegen, damit er den Winter überdauern kann, sagt er. Foto: Torsten Jäger

BODENHEIM – Er geht nachts auf Tour, verschläft den ganzen Winter und wandert weite Strecken. Wenn es brenzlig wird, igelt er sich ein: Der Braunbrustigel ist „Wildtier des Jahres“, ernannt von der Deutschen Wildtierstiftung. Dieser „Promi“ der Tierwelt müsste eigentlich gar nicht mehr vorgestellt werden, das könnte man meinen. Doch die Gefährdung, in der sich der Braunbrustigel befindet, ist der Öffentlichkeit zu wenig klar, urteilt die Wildtierstiftung.

Mit der Wahl des „Wildtiers des Jahres“ macht die Stiftung seit 2017 auf jene Tiere aufmerksam, deren Lebensraum bedroht ist oder die unter dem sogenannten Mensch-Tier-Konflikt leiden. So wie aktuell dem Braunbrustigel, dem es gar nicht gut geht. Daran können auch die bis zu 8.000 Stacheln, die einen ausgewachsenen Igel so wehrhaft machen, nichts ändern. Ein Grund dafür ist die sinkende Zahl von Insekten. Das Insektensterben greift immer weiter um sich, und der Igel findet zu wenig geeignete Nahrung. Außerdem schrumpft sein „Wohngebiet“, das von Asphalt, Pflastersteinen und Schottergärten sowie kurz gemähten Rasenflächen eingenommen wird. All das sind ökologische Wüsten, in denen das Tier weder Unterschlupf noch Beute findet. Schließlich bläst der Mensch im Herbst mit dem Laub auch den Überwinterungsraum des Igels in die Tonne.

Sympatieträger und Wildtier des Jahres 2024. Foto: Torsten Jäger

Was der Igel braucht, sind Sträucher, Heckenstreifen, höhere Grasbestände oder Stauden sowie Totholz- und Reisig-Bereiche: der Lebensraum vieler Insekten und anderer Beutetiere wie Laufkäfer, Hundert- und Tausendfüßer, Raupen von Nachtfaltern, Spinnen, Regenwürmer und Asseln. Ohne den Rückzugsort mit fetter Beute ist der Igel gezwungen, vermehrt Schnecken und Regenwürmer aufzunehmen, die wiederum krank machende Parasiten beherbergen.

Der Igel leidet zudem stark unter der Klimakrise. Fällt er in den Winterschlaf, reduziert sich sein Stoffwechsel drastisch. Seine Herzfrequenz liegt im Wachzustand bei 200 Schlägen pro Minute, im Winterschlaf sinkt sie auf fünf Schläge pro Minute. Die Körpertemperatur fällt von 36 auf 8 Grad Celsius. Die Folge ist eine enorme Energieeinsparung, er zehrt von seinem Speckpolster. Steigt die Temperatur im Winter über zehn Grad, erwacht der Igel oder steckt fest in einem sehr oberflächlichen und somit enorm kräftezehrenden Zustand, der für viele Igel tödlich endet.

Doch wie geht man richtig mit einem Igel als Findelkind um? Igel wirken normal rundlich. Haben sie aber einen „Hungerknick“ oder scheinen insgesamt eingefallen, dann geht es ihnen nicht gut. Sie brauchen professionelle Hilfe. Wenn sie schwanken, im Kreis laufen oder gar verletzt sind, ist es offensichtlich, dass sie Unterstützung benötigen. Dasselbe gilt für Igel, die zwar einen gesunden Eindruck machen, aber zu klein oder zu leicht für den Winterschlaf sind. Ein Igel sollte für sicheres Überleben mindestens 600 Gramm wiegen.

Der Kleine muss weiter zu Kräften kommen. Foto: Torsten Jäger

Darunter ist Zufüttern angesagt: Man gibt Katzentrocken- und Nassfutter mit hohem Fleischanteil, ohne Zucker und Getreide, Mehlwürmer, Bienenmaden, ungewürztes gekochtes Hühnerfleisch, wenig ungewürztes Rührei. Eine Schale Wasser sollte immer dabei sein. Achtung: Das im Handel erhältliche Igelfutter mit Haferflocken, Nüssen und Rosinen schadet dem Igel. Milch jeglicher Art macht sie schwer krank, was oft tödlich endet. Ein Igel darf niemals mit handelsüblichem Floh- oder Zeckenspray behandelt werden, und der Rasenmäher-Roboter darf nicht nachts laufen und den Fadenmäher unter Hecken erst nach der Prüfung einsetzen, dass dort kein Nest mit Igeln und Igeljungen ist.

Beitrag von Torsten Jäger, Sprecher der Naturschutzgruppe Bodenheim und Beauftragter der Gemeinde Bodenheim für Natur- und Artenschutz.