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Wie kommt der Esel ins Wappen? Der Bodenheimer Nachtwächter Johannes Zöller gibt Einblicke in seine Touren

Kaum beginnt es zu dämmern, tritt er in Erscheinung ... - Foto: Johannes Zöller

BODENHEIM – Manchmal begegnet man ihm bei einsetzender Dämmerung. Seine Kennzeichen: Kostüm, Laterne, Hellebarde und Horn. Um sich geschart eine Zuhörergruppe, die gespannt seinen Erzählungen lauscht und die er in seine Vorträge einbindet. Die Sprache ist vom Bodenheimer Nachtwächter Hannes VI. alias Johannes Schöller.

Monatlich zwei bis drei Mal führt Schöller öffentliche und private Gruppen entlang geschichts- und geschichtenträchtiger Plätze in der rheinhessischen Gemeinde. Er informiert sein Publikum kenntnisreich und mit sonorer Stimme über deren Vergangenheit. „Mich erreichen unterschiedlichste Anfragen für die beiden Ortstouren. Firmen verbinden damit ihre Weihnachtsfeier. Es gibt Geburtstagsfeiern. Vereine melden sich an und Historisch Interessierte. Die Landfrauen, Lehrer- und auch Kindergruppen befinden sich darunter“, äußert Schöller im Gespräch mit dieser Zeitung. Bei letzteren nimmt er in der Rheinstraße Maß an der Hochwassermarke von 1882/83 und verabschiedet sie mit einem ‚Zaubertrank‘.

Weitergabe von Geschichte

„Ganz besonders stolz bin ich auf Führungen mit Jugendlichen. Die Spaziergänge durch Bodenheim machen Geschichte lebendig und es entstehen Bezüge zur Gegenwart.“ In dieses Spannungsfeld zwischen dem Gestern und dem Heute möchte Schöller vor allem junge Menschen begleiten und ihnen historische Prozesse transparent machen. Er nennt dazu drei Sachverhalte aus seinen Touren:

  • Noch im 19. Jahrhundert war das Zustandekommen einer Ehe zwischen Boden- und Nackenheimer BürgerInnen von der Zustimmung des Gemeinderats abhängig.
  • HexenVerbrennungen, bei denen die Einwohnerzahl sich um 10 % reduzierte, sind erst 400 Jahre vergangen. Dabei diente Folter als probates Mittel der Wahrheitsfindung.
  • „Von der Migrantenwelle in die USA im 19. Jahrhundert war meine eigene Familie betroffen, aus wirtschaftlicher Not.“
Nachtwächter Hannes VI. in seinem Element

Die Nachtwächterfigur entsteht

Bei Recherchen für das Theaterstück „Vive la Révolution – Zum Deibel mit de Udschebebbes“ (2012) entdeckte Johannes Zöller auf der Besoldungsliste der Gemeinde Bodenheim von 1792 einen schlecht bezahlten Nachtwächter. Ältere Bodenheimer MitbürgerInnen konnten sich auf Befragen an die Existenz eines solchen noch um 1950 erinnern, erzählten über den Verbleib von dessen Bluthund und zeigten die originale Laterne. Der historische Nachweis war erbracht.

Dazu gesellte sich Schöllers Wunsch, die Geschichte(n) seiner Stücke für den Theaterverein Bodenheim an den Originalschauplätzen, z. B. dem Schönborner Hof oder dem Rathaus zu erzählen und dabei in die Rolle des Nachtwächters zu schlüpfen.

Wie ging es weiter?

Gesagt, getan! Nach der Auswahl und Zusammenstellung von Kostüm und Utensilien startete der Nachtwächter Hannes VI. versuchsweise die erste Tour. Ein voller Erfolg. Weitere mit bis zu 90 Anmeldungen folgten, was eine neue Strategie erforderlich machte: es entstanden die Touren 1 und 2 mit einer Begrenzung der Teilnehmendenzahl auf 30 Personen.

Tour 1 trägt den Titel „Hexen, Revolution & Auswanderung“, Tour 2 ist mit „Gericht, Kirche & Geister“ überschrieben. „Ab Herbst 2020 ist eine Tour 3 geplant, die an noch nicht berücksichtigte Ecken von Bodenheim führt wie die Vogtei, Klosterhöfe und das ehemalige Kino“, verrät Schöller.

Trotz hohem (Zeit-)Aufwand leistet der gelernte Sozialpädagoge die Nachtwächterarbeit ehrenamtlich. Bisher flossen die Erlöse aus den Führungen an den Theaterverein der Ortsgemeinde Bodenheim, der hinter seiner Arbeit stand. Ab April 2020 wird der Nachtwächter eine Figur der Ortsgemeinde Bodenheim sein. Dorthin gehen dann auch die Einnahmen und werden zukünftig für soziale Zwecke verwendet.

Der Esel im Wappen – Foto: OG Bodenheim
Der Albansgulden – Foto: Ulrich Nilles

Zu guter Letzt

Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher der Albansgulden kommt? Oder was es mit dem Esel im Bodenheimer Wappen auf sich hat? Nur soviel lässt Johannes Schöller durchscheinen: „Der Esel steht in Zusammenhang mit dem Bodenheimer Antrag an Kaiser Maximilian I. auf eigenes Münzprägerecht.“

Die vollständige Antwort erhalten Sie von Hannes VI. persönlich, über dessen Touren Sie mehr erfahren unter:

https://www.bodenheim.de/tourismus/aktivitaeten/nachtwaechter-fuehrungen/

Ulrich Nilles