MAINZ/RHEINHESSEN – Der Protest der Landwirte und Winzer hat nach Polizeiangaben am Montag zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen unter anderem auf den Autobahnen 63 und 61 sowie im Stadtgebiet Mainz geführt. Mit etwa 1.850 Fahrzeugen, darunter 1.500 Traktoren, 250 LKW und 100 PKW äußerten die Protestierenden ihren Unmut mit den Plänen der Bundesregierung, die Agrarsubventionen zu kürzen. Zur Demonstration in der Landeshauptstadt riefen der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV) und Landwirtschaft verbindet RLP (LSV) auf.
Gegen Mittag rollte die Fahrzeugkolonne in gemächlichem Tempo unter Polizeieskorte und mit teilweise lautem Gehupe und einer Sirenengeräuschkulisse durch die Mainzer Innenstadt. Die Passanten in der Bauhof-, der Flachsmarkt- und der Quintinstraße begegneten dem Protestzug nicht selten mit offenkundig gezeigtem Wohlwollen in Form von Applaus und vereinzelt auch mit Transparenten. Wie berichtet protestierten die Landwirte gegen die Entscheidung der Bundesregierung, bestimmte Vergünstigungen zu löschen, und fordern weiterhin die komplette Streichung der Sparpläne hinsichtlich der Agrardieselentlastung und Kfz-Steuerbefreiung, um die Finanzlücke im Haushalt zu schließen. Der Tenor hinter dem Protest: Die Landwirtschaft werde unverhältnismäßig belastet. In dem Zusammenhang relativierten BWV-Präsident Eberhard Hartelt und Thilo Ruzycki von LSV in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Statistiken, die Ende vergangenen Jahres in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden waren und von überproportionalen Gewinnen in der Branche sprachen. Das treffe auf Rheinland-Pfalz und Rheinhessen nicht zu, so Hartelt. Ruzycki ergänzte: „Ja, viele unserer Kollegen können das so nicht bestätigen.“ Hartelt: Es sei zwar ein Jahr mit guten Preisen für bestimmte Bereiche gewesen. „Doch ist Rheinland-Pfalz da stark abgeschlagen. Zum Teil sind nicht mal zehn Prozent der Preissteigerung für Frischgemüse bei den Erzeugern angekommen.“ Auch die Winzer konnten nicht die vergleichbaren Preisaufschläge machen, wie das in Schleswig-Holstein beispielsweise beim Getreide passiert sei, sagte er.
Ruzycki erläuterte: In jener Statistik seien Unternehmensgewinne aufgeführt worden, doch im Ackerbau funktionieren die Betriebe zumeist als Familienunternehmen, „mit mehreren Beteiligten. Dadurch relativiert sich das sehr stark“. Zumal sich die Arbeitszeit in der Landwirtschaft nicht in eine 38-Stunden-Woche einzwängen lasse. Werden Arbeitsbelastung und der Gewinn auf die Stunden aufgeteilt, liegt dieser unterhalb des Mindestlohns.
Hartelt und Ruzycki betonten im Hinblick auf die Proteste die Zugehörigkeit zur Mitte der Gesellschaft: „Wir haben nichts mit extremen Positionen zu tun und vertreten allein die Meinung der Landwirtschaft auf demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen“. Zwar hätten die Protestierenden „den Rechtsstaat an seine Grenzen gebracht, aber die Versammlungen finden im Rahmen des Versammlungsrechts sowie in Kooperationen statt“. Kein Polizist müsse sich fürchten, dass er angegriffen werde, so Hartelt.
Im späteren Verlauf der Demonstration, die eine Protestwoche einleitete, musste die Polizei sogar die A63 in Fahrtrichtung Mainz wegen des zahlenmäßigen Großaufgebots zeitweise komplett sperren, „um den Aufzug zum Mainzer Messegelände zu ermöglichen“. In Mainz-Hechtsheim hielten sich Winzer und Landwirte mit etwa 800 Traktoren im Anschluss an den Korso auf, um die Kundgebung fortzusetzen. Am späten Nachmittag hatten sich alle Fahrzeuge wieder vom Ausstellungsgelände entfernt.
Gregor Starosczyk-Gerlach