Start Gesellschaft „Brauchen Ostern als Hoffnung“

„Brauchen Ostern als Hoffnung“

HECHTSHEIM. In der Ausnahmezeit, in der sich die Gesellschaft nicht zuletzt zum Wohl deren schwächsten Glieder eine Auszeit auferlegt, fragte die Lokale Zeitung bei der evangelischen Pfarrerin der Kirchengemeinde in Hechtsheim, Sabine Feucht-Münch, nach der Bedeutung der Passions- wahlweise der österlichen Bußzeit, wie die Fastenzeit in der katholischen Kirche heißt.

 

Lokale: Frau Pfarrerin, welchen Sinn entdecken Sie im alljährlichen Begehen und Wiedererinnern der Passionszeit?

Pfarrerin Feucht-Münch: Passionszeit ist das Fremdwort für Leidenszeit. Leiden, das Leiden Unschuldiger, das sich im Leiden Jesu widerspiegelt, ist auch ein wichtiges Thema unserer Tage. Schauen wir nur in die Kriegsgebiete und Flüchtlingslager dieser Welt, aber auch auf das oft unsichtbare Leid in unserer direkten Nähe.

„Seht den Menschen“ – das sagt Pontius Pilatus als er den Menschen den Verurteilten Jesus präsentiert.  Seht den Menschen – dazu fordert die Passionsgeschichte auf.  Schaut hin, wo Menschen leiden und verfolgt und gequält werden, schaut nicht weg.

Menschen kann es trösten, wenn sie sich daran erinnern, dass Gott selbst weiß, was Leiden ist, dass er es am eigenen Leib erfahren hat.

Für mich persönlich ist das Vertrauen wichtig, von dem die Bibel erzählt: dass Gott, obwohl die Menschen das Schlimmste tun, was nur möglich ist, nämlich seinen eigenen Sohn zu töten, sie nicht straft, sich nicht abwendet, sondern seine Geschichte mit ihnen fortsetzt.

 

Lokale Zeitung: Wie feiert die Hechtsheimer Kirchengemeinde das Osterfest?

 

Pfarrerin Feucht-Münch: Zu dem Zeitpunkt, da ich auf diese Frage antworte, Mitte März, hat unser Kirchenvorstand auf Empfehlung der Landeskirche gerade beschlossen, dass alle Gottesdienste bis zum Ende der Osterferien wegen der Corona-Krise ausfallen werden. Dieser Beschluss ist uns sehr schwergefallen, feiern wir doch gerne in Gemeinschaft. Doch für eben die Gemeinschaft aller ist es in diesem Jahr angesagt, keine Feste zu feiern, zu denen man zusammenkommt.

 

Lokale Zeitung: Was ist nun wichtig?

 

Pfarrerin Feucht-Münch: Die Gemeinschaft besteht auch dann, wenn wir uns nicht physisch treffen. Viele sprechen am Telefon miteinander oder schreiben sich Nachrichten in den sozialen Medien. Wie gut, dass wir diese Möglichkeiten haben. Christinnen und Christen können auch unabhängig vom Gemeindegottesdienst ihr Glaubensleben gestalten: Zuhause die Bibel lesen – zum Beispiel die Passions- und Ostergeschichte in einem der Evangelien. Die Wohnung, auf die viele beschränkt sind, ein wenig österlich schmücken. Für andere beten, für die die krank sind oder Angst haben, für Politiker und Wissenschaftler. Miteinander sprechen über das, was uns zutiefst bewegt und uns tröstet und Kraft gibt. Einander praktisch helfen.

Wenn Ostern das Fest der Treue Gottes ist, der Jesus im Tod nicht im Stich gelassen hat, wenn es das Fest der überraschenden Wendung zum Guten ist, das Fest der Hoffnung auf Leben, dann ahne ich, dass wir es in diesem Jahr besonders brauchen werden.

 

Lokale Zeitung: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte: Gregor Starosczyk-Gerlach