Start Rheinhessen/Mainz Von Äcker-anzündenden Dampfrössern bis zur Halfpipe Zwischen Rheintal und Hügelland gelegen

Von Äcker-anzündenden Dampfrössern bis zur Halfpipe Zwischen Rheintal und Hügelland gelegen

Lörzweiler aus der Vogelperspektive - Foto: Justus Hamberger

LÖRZWEILER – Man stelle sich vor, eine kleine Gemeinde erhielte heute das Angebot von der DB, an deren Schienennetz angeschlossen zu werden und sie würde dieses Angebot ablehnen. So geschehen um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Begründung des Gemeinderats: „Die Dampfrösser zünden unsere Äcker an.“ Einzige Erinnerung an dieses Kuriosum ist die heute noch existente Bahnhofstraße, die in südwestlicher Richtung durch LÖRZWEILER verläuft.

Die 2.400-Seelengemeinde befindet sich am Anstieg von der Rheinebene zum rheinhessischen Tafel- und Hügelland auf einem kleinen vorgelagerten Hochplateau. Größte Erhebung ist der 175 Meter hohe Königstuhl in der südlichen Gemarkung.

Die Anfänge

Das fünfblättrige Lindenbäumchen im Wappen derer von Hettersdorf – Foto: Ulrich Nilles

Das Suffix -weiler im Ortsnamen lässt sich auf das lateinische Wort villa, villarum = Bauern-/Landhaus/-häuser zurückführen. Dies deutet auf eine vermutlich römische Gründung entlang einer alten Handelsstraße hin. Tatsächlich hat man in der Königstuhlstraße einen Sarkophag und am Ende der Rheinstraße ein kleines Gräberfeld gefunden.

Erstmals urkundlich erwähnt wird „Lorenzevillare“, das Landgut des Lorenz, 812 in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Lorsch. Landesherr um die Jahrtausendwende war das Erzstift von Mainz. Nach Belehnung des Orts 1444 durch Eberhard von Hohenfels an das Rittergeschlecht Hundt aus Saulheim gelangte Lörzweiler 1671 durch Heirat an die Freiherrn von Hettersdorf. Diese blieben Ortsherren bis zum Ende der Feudalzeit. Bis heute sind sie noch präsent im Wappen der Ortsgemeinde mit dem fünfblättrigen Lindenbäumchen.

Entwicklung bis heute

Aus Dankbarkeit errichtet, das Hohbergkreuz – Foto: Steffan Haub

Ab 1815 begann der Ausbau der Infrastruktur in und rund um Lörzweiler, das zwischen 1896 und 1989 über den Bahnhof von Harxheim, ab 1910 Harxheim-Lörzweiler, schließlich doch an der heute stillgelegte Bahnstrecke Bodenheim-Alzey gelegen war. Auch heute noch ist der idyllische Ort gut an das Rhein-Main-Gebiet angebunden, sei es verkehrstechnisch, sei es vom Mobilfunkstandard. Ursprünglich betrug die Einwohnerzahl ca. 800 Bewohner. Um 1970 verdoppelte sie sich und bis heute steigt sie stetig als Zuzugsgebiet der Wirtschaftsregion an.

Lörzweiler ist mit einer Kindertagesstätte, einer Grundschule, einer gut sortierten öffentlichen Bücherei und wenigen Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten seiner Größe entsprechend ausgestattet. Gute Einkaufsmöglichkeiten bieten sich seinen Bewohnern in den schnell erreichbaren Ortschaften der Umgebung.

Lörweiler verfügt über fast 20 Gewerbebetriebe, die seinen Bewohnern Arbeit und Brot ermöglichen. Hauptgewerbe aber war und ist der Weinbau, dessen Tradition wohl schon auf die Zeit vor den Römern zurückreicht. Mit fast einem Dutzend Weingütern sowie mehreren Gutsschänken und Straußwirtschaften lädt er Menschen aus Nah und Fern zur Weinverkostung in den beschaulichen Ort ein.

Feste und Vereine

Foto: Ulrich Nilles

Auch an jährlich wiederkehrenden Festen fehlt es natürlich nicht. Corona-bedingt freuen sich die Lörzweilerinnen und Lörweiler 2021 auf:

  • das Kirchweihfest am Wochenende nach Christi Himmelfahrt mit dem beliebten Weinwandertag am Kerbesonntag
  • das Hof- und Gartenfest im Weingut Dörrschuck Mitte Juni
  • das „Weinfest am Königstuhl“ am ersten Wochenende im Juli, organisiert und durchgeführt vom örtlichen Heimat- und Verkehrsverein
  • das Hoffest im Weingut Haub Ende August

Zum „Weinfest am Königstuhl“ ist auch die französische Partnergemeinde Epoisses eingeladen, mit der Lörzweiler seit 1982 verschwistert ist. Völlig unüblich für die Region: Epoisses ist kein Weinort, sondern überregional bekannt für seine Milchwirtschaft und die Produktion eines intensiv riechenden Käses.

Um diese Feste bewältigen zu können, bedarf es eines florierenden Vereinslebens. Damit kann Lörzweiler aufwarten. Rund 30 Vereinen bieten eine große Auswahl für Jung und Alt.

Sehens- und Lesenswert

Blick in das Innere der Pfarrkirche St. Michael – Foto: Streffan Haub

Darüber hinaus findet man eine Reihe gut dokumentierter historischer Zeugen und Zeugnisse in der Gemeinde:

  • Die 1790 erbaute barocke Pfarrkirche St. Michael (Ersterwähnung 1336), deren Inneres mit einem Hochaltar von 1683 und weiteren sakralen Gegenständen aus dem Hohen Dom zu Mainz ausgestattet ist. 1972 erhielt die Kirche einen dreigiebligen modernen Anbau, der sich organisch an das alte Gebäude anfügt.

    Der idyllisch gelegene Königstuhl-Turm mit einem großartigem Rundblick auf Rheinhessen – Foto: Ulrich Nilles
  • Den Königstuhl-Turm mit einem Gedenkstein, der auf die angebliche Wahl des Saliers Konrad II. zum deutschen König hinweist. Der kurze Spaziergang in die südliche Gemarkung des Orts wird belohnt mit einem wunderbaren Rundblick vom Turm in die Ferne.
  • Das Hohbergkreuz mit Inschrift in der nördlichen Gemarkung, das Lörzweiler Bürgerinnen und Bürger unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg zum Dank und in Erinnerung daran errichteten, dass Lörzweiler am 27. Februar 1945 den alliierten Bomben entgangen war.
  • Die Schlossfragmente mit alten Wappensteinen, die in die Mauer der Schlossstraße eingelassen sind.

Weitere Hinweise erhält der Interessierte auf der übersichtlichen Homepage des Orts unter www.loerzweiler.de

Und wer etwas über das dörfliche Leben erfahren möchte, sollte Ewald Gauers Roman „Der Lügner“ (1997) lesen, in dem er in vielen kleinen, unterhaltsamen Episoden u. a. seine Kindheit im Lörzweiler der 1960er Jahre beschreibt.

Etwas weiter zurück greift das Buch von Wenzel Schmidt mit dem Titel „Rudolf, wie es fortan von seinen Bewohnern genannt wird“ – Erinnerungen an Rudolfsgnad im Banat“ (2019). Es berichtet von der Auswanderung der Lörzweiler Familie Schmidt 1818 nach Rumänien.

Aktivitäten, auch während der Corona-Pause

Foto: Ulrich Nilles

Überall im Ort begegnet den Besuchenden einem Schild mit dem Aufdruck „Rundweg Lörzweiler“. Dieser 6,2 Kilometer lange Weg führt vorbei an den oben genannten Sehenswürdigkeiten und lädt zu einem Spaziergang durch die Gemarkung ein. Heißer Tipp: Am Kerbesonntag stehen die örtlichen Winzer mit ihren Ständen entlang des Wegs und bieten einen kühlen Tropfen und lecker Häppchen an. Sollte man sich nicht entgehen lassen.

Foto: Michaela Nagel

Alle Generationen glücklich macht die Spiel- und Freizeitanlage, die sich auf dem Weg Richtung Mommenheim in der Ahornstraße befindet. Dort gibt es Sand und Klettergerüste für die Kleinen, eine Skaterbahn mit Halfpipe und einen Bolzplatz für die Jugend und eine Grillhütte, die Erwachsene privat bei der Gemeinde anmieten können.

Lörzweiler ist außerdem gut in das bekannte rheinhessische Rad- und Wanderwegnetz eingebunden.

Es versetzt den außenstehenden Betrachter immer wieder in Erstaunen, welche Schätze und Angebote die kleinen, im Rheinhessischen gelegenen Gemeinden zu bieten haben, durch die man oft genug achtlos hindurchfährt. Und Ortbürgermeister Steffan Haub bestätigte dieser Zeitung, dass die Verantwortlichen alles tun, um die Lebensqualität für die Bewohner des Orts behutsam weiterzuentwickeln und dem Gast einen angenehmen Aufenthalt in Lörzweiler anzubieten.

Ulrich Nilles