MOMMENHEIM – Manchmal begegnet man ihnen, geht aber achtlos an ihnen vorüber, an den großgewachsenen Assistenzhunden, erkennbar an einer weißen, um den Körper geschnallten Kenndecke. Scheinbar wie von Geisterhand gesteuert führen sie blinde Menschen sicher das rege Treiben eines Orts. Was hat es mit diesen Assistenzhunden auf sich? Woher haben sie die Kenntnis, ihre Aufgaben zu bewältigen? Und wie kommt eine bedürftige Person an diesen treuen Wegbegleiter? All diesen Fragen geht Journal LOKAL im Gespräch mit Familie Cichy nach.
Ausgangssituation
Lebhaft bewegt sich die 12-jährige Hannah zwischen ihren beiden jüngeren Brüdern Liam (10 Jahre) und Bennet (5 Jahre) zuhause herum. Doch der erste Eindruck täuscht. Hannah kam am 30. Mai 2008 mit dem Down Syndrom/Trisomie 21 zur Welt. Die diagnostizierenden Ärzte stellten zudem die Fallot-Tetralogie fest, einen angeborenen Herzfehler, weswegen Hannah bereits mehrfach operiert werden musste. Aufgrund dieser doppelten Beeinträchtigung ist sie mit 100 % Grad der Behinderung (GdB) eingestuft.
Auswirkungen auf das Familienleben
„Wir leben in ständiger Angst um das Überleben unserer Tochter“, sagt Mutter Melanie im Gespräch mit dieser Zeitung. „50 % aller Down-Kinder haben einen angeborenen Herzfehler, Hannah hat allerdings die drittschlimmste Variante und es droht ihr Erstickungsgefahr.“ Aufgrund dieser Beeinträchtigung darf sie z. B. nicht Trampolin springen. Ihre Nackenmuskulatur ist zu schwach und dies könnte zu einer Querschnittslähmung führen. Sie benötigt Hilfe bei allen täglichen Verrichtungen, sei es beim Essen, beim Ankleiden oder beim Gang zur Toilette. Aufgrund ihrer mangelnden Orientierung kann sie nicht alleine nach draußen gehen, zumal nicht bei der grassierenden Coronapandemie. Diese erhöhte Aufmerksamkeit für ein Kind geht bei den beiden andren natürlich verloren.
Seit 2019 steht Hannah im Ganztagsbereich der Landskronschule in Oppenheim eine ständige Integrationskraft zur Seite besucht. Dort. Dort soll sie Lesen und Schreiben lernen. Dieser dringend benötigte Input hat allerdings seit Ausbruch der Coronapandemie keinen regelmäßigen Turnus und außerhalb der Schulzeit stehen nur Mutter und Vater als Betreungspersonen zur Verfügung. Hinzu kommt noch, dass Liam Wechselunterricht mit Homeschooling hat. Und die Eltern haben Bennet zu Hannahs Schutz wegen der Coronagefahr aus dem Kindergarten genommen haben.
Da wird guter Rat teuer …
„In unserer Familie fallen die Großeltern weg, weil Sie zum Teil verstorben, zum Teil selbst sehr schlimm erkrankt sind,“ so Frau Cichy. Und weiter: „Natürlich hat jede Person wie Hannah mit hohem Pflegegrad Anspruch auf ganztätige Betreuung. Die meisten Betreuenden sind allerdings Studierende, die sich lieber eine Aufgabe in Mainz anstatt im abseits gelegenen Mommenheim suchen.“ Und die Kosten für Assistenzhunde werden von den Krankenkassen nur für erblindete Menschen übernommen.
Bei ihrer Internetrecherche wurden die Eltern im vergangenen Dezember auf die „Akademie für Assistenzhunde“ (AfA) in Aschefel bei Husum aufmerksam und nahmen mit deren Inhaberin Kati Zimmermann Kontakt auf. Die AfA bildet Labradore für alle möglichen Arten von Beeinträchtigungen aus. Aus einem Wurf werden gesunde und geeignete Tiere ausgewählt und erhalten im ersten Jahr eine Grundausbildung. Im zweiten Jahr werden sie Vorort speziell auf die Person eingestellt, die sie begleiten sollen. Mit dem Vertragsabschluss zwischen AfA und dem Hundenehmer kommt aber auch ein Kostenvoranschlag ins Haus, der sich über ca. 30.000 Euro beläuft, Kosten, die nicht übernommen bzw. finanziert werden. Auch hierzu bietet der Verein der AfA Betroffenen Hilfe an mit dem Spendenkonto „A Dog For You“. Unterstützende können dort kleinere und größere Beträge an die um Hilfe Bittenden einzahlen. „Wir hatten großes Glück. Neben kleineren Beträgen erhielten wir zwei Großspenden, die unser Anliegen erst ermöglichten“, erzählt Frau Cichy glücklich.
Und wie geht es weiter?
„Im Winter 2022 wird Hannahs Assistenzhund dann endlich bei uns zuhause sein. Er kann die Entwicklungsverzögerungen eines beeinträchtigen Menschen zwar nicht ausgleichen, aber er trägt erheblich zur Steigerung von Hannahs Lebensqualität bei.“
- Er reagiert bei physischen Angriffen.
- Er führt sie sicher außer Haus und wieder zurück.
- Er wartet an Straßenübergängen.
- Er merkt, wenn seine beschützende Person in Monotonie verfällt und hilft ihr aus dieser heraus.
Hannah liebt es, in der freien Natur zu sein. Mit ihrem Assistenzhund wird sie mehr Freiheiten genießen und ein gutes Team mit ihm bilden können, für ca. zehn Jahre. Denn ein Assistenzhund wird in der Regel zwischen 12 und 14 Jahren alt. Allerdings müssen sie jährlich eine Fortbildung machen, um durchgecheckt und weitergefördert zu werden. Die dabei entstehen Ausbildungskosten belaufen sich jährlich auf ca. 800 – 1.000 Euro. Um diese anfallenden Kosten etwas zu dämpfen, hat Familie Cichy auf Anraten von Kati Zimmermann einen Spendenaufruf mit dem folgenden Hundekonto eingerichtet:
Hannah Cichy, Mainzer Volksbank, DE30 5519 0000 1735 0890 11
Jeder kleinste Betrag hilft Hannah weiter. Und umgekehrt sind die Eltern von Hannah gerne bereit, ihre Erfahrungen zu teilen und anderen Betroffenen zu helfen.
Ulrich Nilles