
OPPENHEIM – Bücher allein reichen Sissi Steuerwald nicht. Auch wenn sie fast alle Wände in der Literatur- und Kulturlounge in Oppenheim bedecken und sehr subtil präsentiert werden. Wer sich in dem Raum umschaut, fragt sich rasch: Was ist das eigentlich? Gründerin Steuerwald beschreibt ihn als den Ort, der einen Mehrwert erzeugt: „Es geht um Austausch, Begegnung und Kultur“.
Der Blick streift das Innere und stellt zwar fest, dass die Autorin und Literatur-Dienstleisterin den Raum so gestaltet hat, dass sich hier Bücher in den Vordergrund drängen. Es gibt Regale mit Krimis, Fantasy, Romance, Kinderbüchern und Lyrik. Die Bücher in der Lounge präsentieren hier keine der gerade angesagten Titel. Vielmehr rückt sie andere Autoren in den Fokus.
Die Kulturlounge in der Mainzer Straße 6 ist ein Kontrastentwurf zum literarischen Mainstream. Große Publikumsverlage, sagt sie, seien immer vorsichtiger geworden, bedienen vor allem Bestseller-Trends. „Bekannte Namen wie Fitzek kennt jeder. Aber viele spannende Stimmen bleiben unsichtbar.“
In Oppenheim stehen vielmehr kleine unabhängige Verlage und Self-Publishing-Titel im Mittelpunkt. Die Autoren können eine Loungekiste mieten oder auf Kommission arbeiten. „So entsteht eine Vielfalt, die man in klassischen Buchhandlungen nicht findet.“ Direkt an Ort und Stelle erklingen auch die Stimmen der unbekannten Autoren. Dank eines QR-Codes gelangt der interessierte Leser im Internet zu einer Lesung des vorgestellten Autors.
Literatur sei aber nicht nur zum Kaufen da, meint die Frau, die sich in der Buchwelt auskennt. Einmal im Monat lädt sie zu einer Lounge-Lesung ein: „Um Gespräche anzustoßen und Menschen zusammenzubringen.“ Steuerwald hat Germanistik, Kunstgeschichte und Buchwissenschaft studiert, journalistisch gearbeitet und selbst Bücher veröffentlicht.
„Ich habe irgendwann gesagt: Ich möchte morgens aufstehen und glücklich zur Arbeit gehen. Das ist hier der Fall.“ Die Tür zur Lounge steht allen offen: fürs Kennenlernen, Netzwerken und den Austausch. Im Raum stehen auch Co-Working-Tische und eine kleine Bühne. Die Arbeitsplätze sind übrigens frei zugänglich. Das Programm geht damit deutlich über die Literatur hinaus. Raffiniert verschränken sich im Konzept der Anreiz zu Buchentdeckungen mit Veranstaltungen und der Gemeinschaft.
Es gibt Platz für Workshops und sogar eine kleine Spielwiese für die kleinsten Gäste. Geplant sind Lesekreise, Workshops, kreative Kurse und Abende, an denen sich Menschen mit Ideen von Schreibtechniken bis zu Kunsthandwerk einbringen können. Ein anderes Beispiel: „Ich bin im Gespräch mit einer Dozentin für Mal- und Drucktechniken, die noch keinen Ort hat. Warum also nicht hier?“, sagt Steuerwald.
Die Lounge arbeitet auch mit Partnern zusammen. Wie zur Illustration verlassen kurz vor dem Interview ein Junge und seine Mutter den Laden. In der Hand hält der Bub ein kleines Spielzeug. Es stammt aus einer Manufaktur, denn auch regionales Handwerk findet hier Platz und kann eine Kooperation eingehen.
Mit der lokalen Volkshochschule bietet sie ab Herbst einen Kurs für kreatives Schreiben. Zwei Mal im Jahr soll es ihn geben. Auch die Stadtbibliothek Oppenheim ist eingebunden. „Wir sind keine Konkurrenten, sondern ergänzen uns.“
Wird sich die Idee etablieren, in Oppenheim einen weiteren Kulturort für die Region zu erschaffen? „Gerade auf dem Land profitieren wir davon, wenn wir uns zusammentun. Kultur lebt von Vielfalt und davon, dass Menschen Räume finden, in denen sie sich begegnen“, meint Steuerwald. Sie hat Zeit: „Es geht nicht ums schnelle Geschäft. Es geht darum, Literatur sichtbar zu machen und den Menschen dafür eine Tür zu öffnen.“