MAINZ – In Mainz gehört die Fastnacht zu den Höhepunkten des Festkalenders, wenngleich dies aus bekannten nächstes Jahr nicht der Fall sein wird.. Ein Markenzeichen ist seine politische Ausrichtung.
Aber das Geschichtsbild, das von der politischen Mainzer Fastnacht vorherrscht, bedarf einer Korrektur. Denn das närrische Treiben in den Sälen und auf den Straßen der Stadt war zur Zeit des Nationalsozialismus keineswegs so kritisch und widerständig gegenüber der Obrigkeit, wie oft behauptet. Dies zeigt zumindest eine neue Publikation, die der Historiker Prof. Dr. Michael Kißener von der Universität Mainz (JGU) und die Kunsthistorikerin Dr. Felicitas Janson von der Akademie des Bistums Mainz herausgegeben haben.
„Die mythenhaften Erzählungen über die Mainzer Fastnacht werden geradegerückt“, sagt Kißener. So werde verdeutlicht, dass die NS-Ideologie einer deutschen Volksgemeinschaft auch vor den Türen der Fastnachtssäle nicht haltmachte. Insbesondere die Erschließung neuer Quellen zeigt, dass die Mainzer Fastnacht als ein Beispiel für den Widerstand einer sehr einseitigen Betrachtung unterliegt.
Es gab zwar Fastnachtsredner, die kritische Töne anschlugen. „Aber unter dem Vorzeichen der Volksgemeinschaft hat sich die Mainzer Fastnacht insgesamt sehr gerne eingeordnet: Vereine haben sich gleichschalten lassen, Vereinsvorstände und Elferräte sind in die NSDAP eingetreten, Büttenreden passten sich den Anforderungen der NS-Propaganda an“, erklärt Kißener. Bereits 1934 reihten sich in den Fastnachtsumzug etliche Wagen ein, die die NS-Propaganda unterstützt haben. In den Folgejahren fuhren Motivwagen durch die Mainzer Straßen, die antisemitische Propaganda vertraten und etwa das Konzentrationslager Dachau verharmlost haben.
Die Nationalsozialisten förderten den Karneval und vereinnahmten ihn, um ihr Idealbild der deutschen Volksgemeinschaft zu propagieren. So wurden beispielsweise Sonderzüge finanziert, um Menschen aus dem ganzen Land den Besuch des närrischen Treibens in Mainz zu ermöglichen.
Die Vorstellung, die Mainzer Fastnacht sei widerständig gewesen und habe sich dem politischen Druck entzogen, entpuppe sich somit als Mythos.