Start Kultur Erinnern statt Vergessen – Dunkler Teil der Ortsgeschichte

Erinnern statt Vergessen – Dunkler Teil der Ortsgeschichte

Bodenheim – 40 Jahre Heimatmuseum Bodenheim, die Hexenverfolgung in Bodenheim im „Kulturkeller“ im Bürgerhaus Dolles konnte noch an einem letzten Ausstellungssonntag erkundet werden. Im Bodenheim des 17. Jahrhunderts konnte es jeden Bodenheimer oder jede Bodenheimerin treffen, als Hexer oder Hexe bezichtigt zu werden. Es brauchte nur einen missgünstigen Nachbarn.
Bodenheim hatte damals ca. 300 Einwohner, so dass innerhalb zweieinhalb Jahren 17 Prozent der erwachsenen weiblichen Bevölkerung den Prozessen zum Opfer fiel. Die Prozesse in Bodenheim begannen mit der Gefangennahme der Witfrau Merg Scholl 1612. Anlass hierfür war eine Beschuldigung eines Bäckers, Scholl soll in der Backstube ein Kind so verzaubert haben, dass es gestorben ist. Eine weitere Schwierigkeit war die „Mehrherrigkeit“ des Ortes, er unterstand drei Herren, dem Mainzer Ritterstift St. Alban, dem Kurfürstentum Mainz und der Kurpfalz. Alle wollten ihre Herrschaftsrechte durchsetzen, sie spielten Machtspiele auf andere Kosten. Erst durch den Einmarsch kurpfälzischer Einheiten und die Befreiung von Verdächtigen kamen die irrsinnigen Prozesse zu einem Ende. 1628 sowie 1630/31 und 1637 und 1644 kam es erneut zu Verfolgungen. Gründe hierfür war die Abfassung des Buches „Hexenhammer“ vom berüchtigten Inquisitor Heinrich Krammer, in dem er detailliert die Verbrechen der Hexen beschrieb und Regeln für Prozesse gegen sie aufstellte.
Nach der Veröffentlichung im Jahre 1487 fand das Buch leider großen Anklang. Dazu kam, dass Ende des 15. Jahrhunderts und Mitte des 16. Jahrhunderts sich die Lebensbedingungen verschlechterten. Kältewellen brachen über Europa herein, Naturalien wurden gering und so teuer, dass große Teile der Bürger Hunger leiden mussten. Epidemien breiteten sich aus und rafften Teile der Bevölkerung hin. Daher wurden Hexen für die Übel haftbar gemacht. Auch die immer wachsende Selbstständigkeit von Frauen konnte nur wahres Teufelswerk sein. Hingerichtet wurden hauptsächlich kurpfälzische Untertanen.

Erst Ende des 17. Jahrhunderts festigten sich die ökonomischen, klimatischen und politischen Bedingungen und das Zeitalter der Aufklärung begann. Die Ehrenamtlichen des Bodenheimer Heimatvereins wünschen sich für die Zukunft, dass am Eingang zum Kellerverlies, am heutigen Rathaus und früheren Gerichtsgebäude, ein Gedenkschild für die damaligen diffamierten Bodenheimer Insassen angebracht wird. Hier herrschten unmenschliche Haftbedingungen.

Abbildungen von Folterinstrumenten lassen den Besucher erschaudern und auch die Angeklagten, die schon beim Anblick der Instrumente alles gestanden, was gefordert wurde. Bücher und zahllose Kopien von Hexenabbildungen und Statistiken, die sich mit dieser düsteren Thematik beschäftigen wurden in Vitrinen gezeigt. Ebenso veranschaulicht ein lebensgroßer Scheiterhaufen mit zwei Schaufensterpuppen, einmal die Hexe im Hemd und ihren Henker mit Maske, ein realistisches Bild einer reinigenden Verbrennung. Auch ein aufklärender Film zum Thema wurde den Interessierten gezeigt.

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Seit Februar 2015 bin ich als freie Journalistin bei Journal LOKAL - die lokale Zeitung tätig. Zuvor arbeitete ich nach meinem Informatikstudium viele Jahre als IT-Koordinatorin. Seit zwei Jahren bin ich als freie Journalistin im Deutschen Fachjournalistenverband (DFJV) akkreditiert. Die in vielerlei Hinsicht anspruchsvollen oder originellen lokalen Veranstaltungen motivieren mich bei Recherche und Verfassen meiner Artikel.