Start Allgemein EU-Gesetze vs. nationale Gesetzgebung: Wer hat am Ende recht?

EU-Gesetze vs. nationale Gesetzgebung: Wer hat am Ende recht?

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EU-Rechte nehmen großen Einfluss auf die deutsche Politik und Gesetzgebung. Immer mehr Regelungen wurden in den letzten Jahren getroffen, um in der Europäischen Union für mehr Einheitlichkeit zu sorgen. Viele nationale Gesetze können mittlerweile kaum noch losgelöst vom Europäischen Recht betrachtet werden. Auch Konflikte können schnell entstehen, wenn neue EU-Verordnungen in Kraft treten sollen. Wir haben uns angesehen, welche Aufgaben die EU hat und wie EU-Recht und deutsches Recht ineinandergreifen.

Grundgesetze und EU-Recht

Grundsätzlich ist das europäische Recht als vorrangig gegenüber dem deutschen Recht anzusehen. Doch bis heute lassen sich deutsche Grundgesetze und das EU-Recht nicht immer in Einklang bringen. Denn im Großen und Ganzen steht das EU-Recht nicht über den Grundgesetzen. Ein Unter- beziehungsweise Überordnungsverhältnis gibt es bei der nationalen Verfassung und der europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung nicht. So wird immer wieder individuell geklärt, inwiefern eventuelle Einschränkungen der nationalen Gesetze umsetzbar sind.

Schon früh hat der Europäische Gerichtshof erkannt, dass beide Rechtsordnungen in einer Kooperationsbeziehung miteinander stehen. So kann kein Gericht über dem anderen stehen – doch Abweichungen gibt es immer wieder. Besonders in Bezug auf die Grundrechte und deren Schutz möchte das Bundesverfassungsgericht am Ende das letzte Wort haben. Schaut man auf andere Gesetzgebungen, genießt aber auch das EU-Recht Vorrang. Das zeigen unzählige Verordnungen, die in den letzten Jahren vom Europäischen Gerichtshof veranlasst wurden.

Binnenmarkt der Europäischen Union

In der Europäischen Union gibt es vier Grundfreiheiten, die für Bürger und Bürgerinnen gelten. Sie beziehen sich auf die Niederlassungsfreiheit, die Personenfreizügigkeit, die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie den freien Kapital- und Zahlungsverkehr, die Warenverkehrsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. Ebenfalls legitimiert wurde die EU-Grundrechtecharta, welche die EU-Grundrechte, die neben unseren eigenen Grundgesetzen gelten, festgeschrieben wurden.

Richtlinien und Verordnungen sorgen dafür, dass das nationale Recht vom EU-Recht beschnitten werden kann. Veranlasst die EU eine neue Verordnung, ist diese vom deutschen Gesetzgeber zu respektieren. Dass es hier aber immer wieder zu Spannungen kommen kann, zeigt sich zum Beispiel an dem bis heute umstrittenen Online-Glücksspielmarkt: In Deutschland galt das Glücksspiel im Internet lange Zeit als illegal. EU-Anbieter konnten ihre Glücksspielseiten aber dennoch auf dem deutschen Markt anbieten, da sie sich auf die Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union beriefen. Bis heute ist die Situation der Online-Casinos nicht eindeutig geklärt. Das Online-Glücksspiel hat die Bundesregierung zwar mittlerweile legalisiert, setzt aber eigentlich auf eigene deutsche Lizenzen. Außerdem werden viele strenge Vorgaben an die Casinos gestellt, die den Spielerschutz und die allgemeine Sicherheit verbessern sollen. Noch immer gibt es aber viele Glücksspielanbieter aus dem Ausland, die keine deutsche Lizenz haben und sich auch nicht an die neuen Vorgaben, die etwa Einsatzlimits oder eine eingeschränkte Spieleauswahl betreffen, halten. Wer hier am Ende Recht bekommen wird, steht noch aus. In jedem Fall zeigt sich hier, dass das EU-Recht sowohl im privaten als auch wirtschaftlichen Bereich immer wieder Anwendung findet und für Unstimmigkeiten sorgt.

EU-Grundrechtecharta erklärt

In der Grundrechtecharta der Europäischen Union festgelegt wurden Grundrechte, Bürgerfreiheiten sowie soziale und wirtschaftliche Rechte, die jeder Bürger und jede Bürgerin in der EU genießt. An diese Gesetze haben sich nicht nur Institutionen innerhalb der EU zu halten, sondern auch die einzelnen Mitgliedsstaaten. Die EU-Grundrechtecharta dient dazu, Grundrechte sichtbarer zu machen und die EU als Werte- und Grundrechtsgemeinschaft zu stärken.

Probleme bei der Verabschiedung von EU-Verordnungen

Welcher Regulierungstyp ist der richtige, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben soll es geben – und wie können Bundes- und Landesrecht parallel umgesetzt werden? EU-Richtlinien bergen jede Menge Konfliktpotenzial. Die typischen Herausforderungen, die bei neuen Verordnungen entstehen, haben wir uns im Folgenden angesehen.

Zunächst einmal muss geklärt werden, wie weit das Grundgesetz reichen darf. Denn Grundrechte sind bestmöglich zu wahren. Bei jeder Verordnung müssen also nationale Gesetze berücksichtigt und die angemessene Reichweite des EU-Gesetzes erörtert werden. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dann an die EU-Verordnungen zu halten, da eine Bindung an Primär- und Sekundärrechte besteht und diese Vorrang vor den nationalen Gesetzen haben. Trotzdem kann nicht einfach eine neue Verordnung verabschiedet werden, ohne vor allem die hiesigen Grundrechte in Augenschein zu nehmen. Diese gilt es, soweit möglich, unangetastet zu lassen. Einschränkungen sollten vermieden werden – sind sie aber nicht zu vermeiden, dann sind sie angemessen und schonend vorzunehmen. So sollen Bürgerinnen und Bürger möglichst wenig davon tangiert werden. Gesetzgeber müssen entsprechend immer individuell entscheiden, ob und welche Spielräume vorhanden sind. Natürlich kann das immer wieder zu Konflikten führen, denn Länder, Interessengruppen und die EU-Gesetzgeber sind nicht immer einer Meinung. Viele Beispiele aus den letzten Jahren zeigen, dass der Weg zu neuen Verordnungen ein langer und steiniger sein kann.

Wie Bundes- und Landesrecht parallel umgesetzt werden können, ist dann eine weitere Herausforderung, wenn EU-Verordnungen schließlich Anwendung finden: Sowohl Länder- als Bundeszuständigkeiten werden von der EU-Gesetzgebung berührt. Die Aufgabe der Länder- und Bundesgesetzgebung ist es dann, Verordnungen sowohl verfahrenstechnisch als auch inhaltlich deckungsgleich umzusetzen. Bund und Länder müssen sich an dieser Stelle also einig werden, wie eine fehlerfreie Realisierung auf beiden Ebenen möglich ist. Dabei haben EU-Richtlinien jeweils Fristen, die von Bund und Ländern einzuhalten sind.

Ferner gilt es, den richtigen Regulierungstypen für die jeweilige Verordnung auszuwählen. Damit gemeint ist die passende Form, die einer Regelung zugeschrieben wird: Wie können Rechte legitimiert werden, zum Beispiel von einem Individuum, das seine von der EU festgelegten Rechte vor Gericht durchsetzen möchte? Rechtsverordnungen und Parlamentsgesetze müssen entsprechend klar und bestimmt formuliert werden. Damit in Zusammenhang steht auch ein weiteres Problem, das immer wieder thematisiert wird: Richtlinienwerke, die von der EU ausgestellt werden, lassen sich nicht immer mit der deutschen Rechtsordnung und deren Terminologie und Systematik vereinbaren. Wortgleich Inhalte zu übernehmen, das funktioniert oft nicht. Abhilfe kann hier eine EU-Kommission schaffen, die klärt, ob eine einwandfreie EU-Vorgabe entsprechend der deutschen Gesetzgebung möglich ist. Klärt man die Rechtslage im Vorfeld, lassen sich Konflikte oft vermeiden. Dennoch zeigt die Komplexität der Herausforderungen, vor denen alle Beteiligten immer wieder stehen, in welch umfangreichen Verhältnis nationale und EU-Rechte miteinander stehen. Am Ende sind es vor allem die Grundrechte, die immer wieder viel diskutiert werden und bestmöglich gewahrt werden müssen. Auf der anderen Seite steht die EU-Grundrechtecharta, die bereits seit vielen Jahren gilt und einen ebenso verbindlichen Katalog von Rechten und Freiheiten umfasst.

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