WEISENAU – Mit einer ersten eigenen größeren Auftaktveranstaltung wartete vor Kurzem der Ukrainische Verein Mainz auf. Mit Musik, einem geschichtswissenschaftlichen Vortrag und einem Workshop startete der Verein laut Angaben der Vorsitzenden Maryana Boy-Kempski ein Format, das wiederholt werden soll. Etwas Eigenes zu kreieren sei die Intention. Die Reihe ähnlicher Veranstaltungen über die klassische und moderne ukrainische Kultur solle dem hiesigen Publikum näherbringen, mit welchen Inhalten und Ausdrucksformen sich Kunst und Wissenschaft in dem besetzten Land vor dem Krieg beschäftigt haben.
Das deutet auch der Titel „Kulturelle Schätze der Ukraine – Einblicke in ein Land mit Stolz und Tradition“ an. Jetzt auf eigenen Beinen zu stehen erforderte eine längere und gute Vorbereitung, so Boy-Kempski. Im Verlauf des Abends zeigte sich, wie gut Musiker, Künstler und eine Wissenschaftlerin das Thema auf die Bühne brachten.
Einen Großteil des Programms gestalteten geflüchtete Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine. Der von Initiator Semen Pavlenko (Idee und Konzept) zweisprachig moderierte Abend (Ukrainisch und Deutsch) unterschied sich auf den ersten Blick kaum von vergleichbaren Kulturveranstaltungen. Die Stimmung blieb heiter, doch der Schatten des Krieges, unter dem die Ukraine leidet, schob sich punktuell über die Veranstaltung. Am auffälligsten wohl durch eine Hintergrundbildsequenz aus dem Kriegsgeschehen, die ein Lied begleitete.

Ähnlich markant wirkte die Haltung der Menschen, die zu Beginn der Veranstaltung die ukrainische Nationalhymne sangen – eine Haltung, aus der starke Unbeugsamkeit sprach. Doch es fehlte auch nicht an Hoffnung. „Wir glauben an den Frieden und daran, dass diese dunkle Zeit vorübergeht, und dass wir uns wieder am Frühling erfreuen und Lieder über die Liebe singen“, hieß es in der Anmoderation der Gruppe „Bozhedary“. Das Volksliederensemble setzt seit 2022, als mehrere Mitglieder mit dem Beginn des Krieges immigrieren mussten, seine Arbeit in Deutschland fort. Neben dieser Gruppe, die reichlich Beifall für ihren Auftritt erntete, präsentierte die Pianistin Viktoriia Danylets mehrere Musikstücke aus dem Schatz der ukrainischen Folklore und Klassik.
Im Impulsvortrag zur ukrainischen Kunst und Architektur referierte Klementyna Hokun über die Meilensteine der Entwicklung. Die deutsche Übersetzung des Vortrags sowie die dazugehörigen Bilder konnten sich die Zuhörerinnen und Zuhörer über einen QR-Code erschließen. Der Abend ging schließlich in einen Kreativ-Workshop über, bei dem Blumencollagen nach dem Vorbild der Künstlerin Kateryna Bilokur gestaltet werden konnten.
Bezeichnend an jenem Abend war, dass die Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine, die in der Türkei stattfanden, jenseits des offiziellen Programms in Flurgesprächen und beim Austausch eine Rolle spielten – auch wenn in den Unterhaltungen eher Nüchternheit über die Ergebnisse herrschte. „Die Politiker machen ihre Sache, wir machen unsere Sache“, sagte die Vorsitzende. Da das Ende des Krieges nach wie vor nicht in Sicht ist und die Not der Menschen unter der Besatzung erheblich ist, diente der Kulturabend, der kostenfrei besucht werden konnte, zugleich der Spendensammlung.
Gregor Starosczyk-Gerlach