HECHTSHEIM – Trauer und Trost auf der einen Seite sowie Spaß und Spott auf der anderen Seite sind nur auf dem ersten Blick Gegensätze, gehören aber beide zum Leben dazu. Die Grenzen sind fließend. Das machte nun ein interessanter Gedankenaustausch im Hechtsheimer Bürgerhaus deutlich, zu dem der Hechtsheimer Verein „Trauernde Eltern & Kinder Rhein-Main“ ins Hechtsheimer Bürgerhaus eingeladen hatte. Der Mainzer Bischof Prof. Peter Kohlgraf diskutierte als Mann des Glaubens und der Kirche mit dem Finther Kabarettisten Lars Reichow als Mann des Spaßes und Spottes, moderiert von Daniel Meuren, dem früheren stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins.
Mit dem Trauerlied „Du warst meine Mutter, ich bleibe dein Kind“ von Lars Reichow startete der Gedankenaustausch zum Thema „Heile, heile Gänsje… Trauer und Trost, Spaß und Spott“. Die Vorsitzende Nicole Sieben stellte zunächst den rund 200 interessierten Gästen den Verein kurz vor. „Wir haben die Reihe ,Tod.Endlich.Leben’ eingeführt, um Menschen zusammenzuführen. Auch wir trauernde Eltern wollen Teil der Gesellschaft sein.“
Erstes Thema war die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten eine Nacht zuvor. „Uns bleibt nur die Hoffnung“, kommentierte das Bischof Kohlgraf. „Unglaublich, dass die Amerikaner einen Lügner gewählt haben.“ Lars Reichow pflichtete ihm bei: „Ich verstehe die Amerikaner nicht. Sie haben die Wahl zwischen einer Staatsanwältin und einem Kriminellen und wählen den Kriminellen. Es ist ein furchtbarer Tag heute.“
Dann ging es wechselseitig um die Themen Humor und Ernsthaftigkeit und die Fragen „Wann lachen Sie?“ und „Wann bist du ernst?“ : Bischof Kohlgraf: „Ich liebe Loriot. Und ich lache innerlich auch über mich selber.“ Lars Reichow: „Ich habe auch ernste Passagen im Programm. Und ich bin sehr oft ernst mit den Kindern.“
Beim Thema Trauer kam Lars Reichow auf seine vor zwei Jahren verstorbene Mutter zu sprechen. „Sie hat mich immer getragen und hat mir Kraft gegeben.“ Die Trauer sei zunächst unermesslich gewesen und jetzt in einen fassbaren Kreis übergegangen. Bischof Kohlgraf teilte mit, seine Mutter bereits zu seiner Schulzeit in Köln verloren zu haben. Der Trauerprozess habe ihn 30 Jahre lang beschäftigt. Die Reaktion seiner Mutter zu seinem geplanten Theologiestudium ist ihm in lebhafter Erinnerung geblieben: „Glaub’ ja nicht, dass ich dir den Haushalt mache!“ Damit hatte Bischof Kohlgraf in Hechtsheim die Lacher auf seiner Seite.
Zur Corona-Zeit merkte der Bischof an, dass in Sachen Trauerarbeit nicht alles optimal gelaufen sei und einige Trauernde sich alleine gefühlt hätten. „Wir sollten Konsequenzen für die Zukunft ziehen. Es war möglicherweise nicht die letzte Pandemie.“
Dann ging es um das Thema Fastnacht und Kirche. „Es ist in der Fastnacht eine gute Tradition, dass über die Kirche gespottet wird“, betonte Kohlgraf. Viel schlimmer sei es im Kölner Karneval gewesen, wenn die Kirche gar nicht mehr vorkam. „Dann ist man völlig uninteressant.“ Kohlgraf: „Wir arbeiten auch als Kirche daran, immer wieder Stoff zu produzieren.“ Auch dazu gab es einige Lacher. Lars Reichow antwortete: „Humor ist in der Kirche oft verborgen hinter Weihrauch und ,Kostümen’. Es wäre schön, wenn das mehr herauskommt. Das macht die Kirche weltlicher und fleischlicher.“ Das komme auf die Situation an, antwortete Bischof Kohlgraf. „Beim Gottesdienst im Mainzer Dom wäre ich sehr zurückhaltend.“
Im Anschluss an den interessanten Gedankenaustausch konnte sich das Publikum einbringen. Weitere Gespräche folgten im Foyer bei einem Imbiss.
Oliver Gehrig