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Massenheim – Storchentragödie konnte weitgehend verhindert werden Zwei Jungstörche vor dem sicheren Tod gerettet

Halb verhungert, völlig durchnässt und mit blutenden Verletzungen warten diese drei Jungvögel dringend auf menschliche Hilfe - Foto: Horst Usinger

HOFHEIM – Seit dem Jahr 2013 steht im Hofheimer Stadtteil Massenheim ein hölzerner Storchenmast. Rund 16 Meter ragt er dort zwischen der Pfarrgasse und dem Wickerbachtal in die Höhe. Der Bau war selbst für den Schreinermeister Harald Krissel und seinen Mitstreiter Jürgen Puchner eine Herausforderung. Ungezählte Arbeitsstunden und mehr als 2.000,00 € Materialkosten steckten die Beiden in dieses Storchenquartier. Bei ihren Planungen mussten sie berücksichtigen, dass das Nest in dieser großen Höhe mehrere Zentner schwer werden kann. Der Grund: Die Störche erhöhen es in jedem Jahr mit weiteren Zweigen. Eine halbe Tonne kann da durchaus zusammen kommen.

 Erfreulich für die Erbauer: Schon ein Jahr nach dem Bau zog ein Storchenpaar dort vier Junge groß. Einer von ihnen starb allerdings schon nach wenigen Wochen. In den Folgejahren gab es  insgesamt 29 Jungstörche. Das ist überdurchschnittlich viel. Im Jahr 2020 lagen sogar sechs Eier im Nest.

Großes Interesse der Massenheimer an ihren Störchen
An dem Leben der Störche in Massenheim nehmen die dortigen Anwohner regen Anteil. Besonders die Kinder freuen sich, wenn ‚ihre‘ Störche im Frühjahr zurück kommen. Richtig aufregend wird es, wenn die ersten Jungstörche zu sehen sind.  Dann versuchen die Menschenkinder unten die Storchenkinder oben zu zählen. Eine nicht ganz einfache Angelegenheit.

Im April 2018 konnten zehntausende Zuschauer am Leben der Massenheimer Störche teilnehmen.  Damals berichtete die ‚Hessenschau‘ in der Sendung „Dolles Dorf“ darüber.

Richtig aufregend wurde es am Sonntag, dem 6. Juni 2021. „Die beiden Storcheneltern sind verschwunden“, teilte Harald Krissel dem Flörsheimer BUND‘ler Bernd Zürn mit. Zürn hatte zwei Tage vorher einen erwachsenen Storch gefunden. Tot. Nur wenige hundert Meter von Krissel‘s Mast entfernt. Da er keinen Ring trug konnte er nicht zugeordnet werden.  Der Verdacht lag nahe, dass es sich hier um einen der vermissten Elternteile handelte.

Mehr tot als
lebendig wartet dieser junge Storch auf seinen Abtransport in die
rettende Tierklinik – Foto: Horst Usinger.

Fremdstörche attackieren hilflose Jungstörche
Statt von Mama und Papa gefüttert und beschützt zu werden wurden die drei Jungstörche seit Sonntag von mehreren erwachsenen Störchen immer wieder attackiert. Die hackten mit ihren Schnäbeln auf die Kleinen ein. Blutende Wunden an Kopf und Hals waren die Folgen. Glücklicherweise waren die Jungen schon relativ weit entwickelt und gut genährt. Das rettet ihnen – zunächst – das Leben. Dennoch: Ohne das tatkräftige Einschreiten von Harald Krissel wären sie nach wenigen Tagen entweder verhungert oder von ihren erwachsenen Artgenossen umgebracht worden. Um das zu verhindern besorgte Krissel‘s Schwager Martin Krebs einen Hubsteiger der Baumpflegefirma Bechstein. Damit holte er die übel zugerichteten kleinen Adebare aus ihrem Nest und brachte sie in die Tierklinik in Hofheim.

Verletzungen harmloser als befürchtet
Eine tierärztliche Untersuchung ergab: Die Verletzungen waren nur oberflächlich und sahen schlimmer aus als befürchtet. Deshalb konnte Harald Krissel am nächsten Tag mit seiner Rasselbande nach Wabern (Edertal) fahren. In der dortigen Storchenstation schlangen sie gierig die ihnen angebotenen toten Eintagsküken herunter. Sehr zur Freude von Andrea Krüger-Wiegand. Sie ist die Leiterin der Station. Ihren drei neuen Schützlingen räumte sie zunächst gute Überlebenschancen ein. Das war leider ein Irrtum: Der kleinste aus diesem Trio starb am nächsten Tag, vermutlich an einer Infektion.

Ein glücklicher Harald Krissel
Harald Krissel zieht eine überwiegend positive Bilanz. Das Engagement – viele Arbeitsstunden und rund 200,oo € für Hubsteiger und Fahrtkosten – haben sich gelohnt. In den nächsten Jahren wird er die geflügelten Bewohner seines Mastes in Massenheim besonders genau beobachten. Vielleicht – so seine Hoffnung – findet einer seiner beiden Schützlinge dorthin zurück. Erkennen kann er das an dem Ring, den die kleinen Massenheimer in den nächsten Tagen in Wabern bekommen werden.

Bernd Zürn