FINTHEN – Mit seinen 68 Bäumen ist das Schulgelände der Peter-Härtling-Schule eine Schatten und Sauerstoff spendende Natur- und Klimaoase. Der gute Gesamteindruck kann schon bald getrübt werden, wenn dort das neue Schulgebäude der Grundschule errichtet wird. Denn nach derzeitigem Stand müssten dann 32 der 68 Bäume gefällt werden, um dem Neubau zu weichen – ausgerechnet die größten und stattlichsten Bäume, da diese nicht verpflanzt werden können. Die Neubaupläne und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Natur waren nun Thema im Finther Ortsbeirat, der sich ausführlich dem Thema widmete. Dabei vermied das Gremium ein klares Statement. Einzelne Mitglieder befürworteten aber die Pläne, um eine weitere deutliche Zeitverzögerung für den lange geforderten Neubau zu vermeiden. Endlich könnten dann die beiden Finther Schulstandorte in der Ludwig-Schwamb-Straße und in der Lambertstraße an einem Standort zusammengeführt werden.
Gilbert Korte, Leiter der zuständigen Gebäudewirtschaft Mainz (GWM), gab zunächst bekannt, dass bereits 2016 der Förderantrag für das Projekt gestellt worden war. Die schulbehördliche Genehmigung habe dann knapp zwei Jahre auf sich warten lassen. Geplant sei eine Riegel-Anordnung in L-Form, bei dem die Gebäudeteile auch als Schallschutz zur Nachbarschaft dienen. „Wir sind mit der Detailplanung fertig“, sagte Architekt Tobias von Pastor. „Wir sind auf dem Sprung, bauen zu können.“ Baubeginn sei im ersten Quartal 2024, die Fertigstellung sei für Sommer 2026 geplant. Das fünfzügige Clusterkonzept sieht je fünf Klassenräume plus einen sechsten transparenten offenen Raum je Einheit vor, sodass pro Cluster sechs Klassen untergebracht werden können. Im linken Bereich sind in zwei Geschossen die Mensa und der Ganztagsbereich beheimatet, im rechten Bereich in zwei Geschossen weitere je fünf plus eins Klassenräume und die Verwaltung. In der Mitte ist der Eingangsbereich inklusive verglastem Treppenhaus. Das neue zweigeschossige Gebäude ist eine nachhaltige Holz-Hybrid-Konstruktion mit vorvergrauter Holzfassade und niedrigem Energieverbrauch. Erdwärmeversorgung, eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach, Passivhausstandard, Gründächer und viele weitere Details sorgten dafür, dass sich die Umweltbilanz trotz der Fällung der 32 Bäume sehen lassen könne, so von Pastor. Die neue, größere Zweifeldhalle wird leicht eingegraben, um Höhe zu reduzieren.
Das 30,4-Millionen-Euro-Projekt umfasst auch das Interimsgebäude an der Uhlerbornstraße, das im Januar bezogen werden soll. Es umfasst 16 Klassenräume inklusive Ganztagsbereich, Verwaltung und Mensa plus Einfeldhalle. Der benachbarte Friedhofsparkplatz dient als Abhol- und Bring-Parkplatz.
In der Bürgerfragestunde meldete sich Daniel Brusch, Sprecher der neu gegründeten Bürgerinitiative, zu Wort. „Die Bäume müssen erhalten bleiben“, forderte er. Viele Bürger seien enttäuscht von der Stadt Mainz und vom Ortsbeirat, der sich nicht eingebracht habe. Wenn der L-Riegel um 180 Grad gedreht werde, müssten zumindest deutlich weniger Bäume gefällt werden. Nur die Kleinstbäume könnten erhalten bleiben, entgegnete von Pastor. „Diese zweite Variante ist keine bessere Lösung.“ Nachteile seien vier Jahre Wartezeit und zehn Millionen Euro Zusatzkosten, die eine Überplanung verursache. „Vier Jahre werden die jetzige ,Energieschleuder’ und der Interimsstandort im Naturschutzgebiet weiterbetrieben“, betonte von Pastor. Zumindest zehn Bäume könnten durch Verpflanzung gerettet werden, sodass nur 32 statt der ursprünglich geplanten 42 Bäume gefällt werden müssten, ergänzte Gilbert Korte. „Wir mussten in den sauren Apfel beißen. Das tut uns weh, aber wir haben keine andere Chance.“ Ersatzflächen für neue Bäume stünden an der Römerquelle bereit.
Weitere Stimmen wurden in der Bürgerfragestunde laut, der Neubau sei zu klein geplant. „Die Schule ist auch als sechszügige Schule zu betreiben“, entgegnete Korte. „Die Schule ist groß genug, glauben Sie es mir! Wir dürfen uns auf eine sehr schöne Schule freuen.“
Ortsvorsteher Manfred Mahle (SPD) gab zu bedenken, dass es bereits wieder erste Corona-Fälle gebe. Beim Weiterbetrieb des alten Gebäudes müsste dann wieder eine provisorische Belüftungsanlage aus dem Baumarkt eingekauft werden. „Das Neubaukonzept findet meine persönliche Zustimmung“, betonte Mahle. „Es ist an den Haaren herbeigezogen, dass das neue Schulgebäude zur Verschattung der Ludwig-Schwamb-Straße beiträgt.“ Eine Neuplanung bedeuteten vier Jahre Zeitverlust und zehn Millionen Euro Zusatzkosten, bekräftigte Uwe Greiner (CDU). „Wir müssen das realistisch sehen.“ Ähnlich sieht es Claus Berndroth (Freie Wähler): „Ich finde die Planung gut. Es muss etwas passieren, Bäume pflanzen nach.“ Sonja Haug (Grüne) resümierte: „Natürlich wollen wir alle Bäume behalten. Aber wir wollen auch eine gute Schule für unsere Kinder.“ Wichtig sei, sich um die Ersatzpflanzungen zu kümmern und diese ausreichend und regelmäßig zu gießen.
Autor: Oliver Gehrig