WEISENAU – Der Liederabend, den der Förderverein der alten Synagoge in Weisenau am Synagogenplatz zeitgleich zur Kerb veranstaltete, handelte von Liedern und Chansons von Friedrich Hollaender (1896-1976). Friedrich Hollaender, auch als Frederick Hollander bekannt, war ein deutscher Revue- und Tonfilmkomponist, Kabarettist und Musikdichter. Voriges Jahr zum 30-jährigen Bestehen des Vereins trugen Sabine Gramenz (Gesang) und Malte Kühn (Piano) einen Wiener Liederabend und ein Erzählkonzert vor. Nun stellten sie eine Auswahl ihrer meist deutschsprachigen Chansons und Kabarettlieder auf Berlinerisch vor.
Friedrich Hollaender ist eine Größe des deutschsprachigen Chansons. Spätestens seit Hollaender seine Texte und Vertonungen für den Film „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich (1901-1992) beisteuerte, sind seine Chansons aus dem Tonfilm, aus Revuen und aus dem Kabarett nicht wegzudenken. Sängerin Sabine Gramenz interpretierte den Titel „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. Es ist das Lied, das Friedrich Hollaender 1930 für den Film „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich komponierte und auch den Jüngeren heute noch ein Begriff ist. Von Hollaender stammt auch der Text. Bis ihn die Politik 1933 wegen seiner jüdischen Abstammung ins Exil trieb. Zwei Jahre zuvor hatte Hollaender den Antisemitismus als absurd verspottet mit dem Kabarettsong „An allem sind die Juden schuld“ auf die Melodie der „Habanera“ aus Bizets „Carmen“. Ein heute noch ernstes Thema, sehr gut von der Künstlerin umgesetzt, und die Umgebung konnte passender nicht sein.
Die Problematik zwischen den Geschlechtern beschrieb das Stück „Reizend bist du, ganz reizend“ aus den 20er-Jahren. „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ spielte Gramenz auf ihrer singenden Säge. Es ertönte, als sie den Bogen ansetzte, ein ganz eigenwilliger Sound.
Ein gewohnt ungewöhnlicher musikalischer Abend mit Sängerin Sabine Gramenz, die die facettenreichen Chansons mit Witz und Raffinesse zum Klingen brachte, am Klavier sekundiert von Malte Kühn, der mit Geschichtswissen durch das Programm führte. Die Vorsitzende Dr. Anke Joisten-Pruschke begrüßte die vielen Gäste und freute sich über einen sehr spritzigen Abend. Pianist Malte Kühn führte humorig durch die Veranstaltung, sagte die einzelnen Stücke an und erzählte Hintergrundwissen. Der Musiker beherrscht das Piano mit allen Raffinessen, kein Wunder, hat er doch schon im Grundschulalter Klavierunterricht genossen. Das spannungsgeladene Stück „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ folgte zum Abschied. Der Pianist gab gemeinsam mit der Sängerin zwei Zugaben, bei der die letzte Zugabe auf Wunsch des Publikums von Gramenz mit der singenden Säge gespielt wurde. In der Pause servierten das Weingut Heinrich Kunz aus Oestrich-Winkel und der Förderverein erlesene Weine, Getränke und Salzgebäck.
Claudia Röhrich