NIERSTEIN – „Die ökumenische „Stille Not / Stille Hilfe“, so erzählt Monika Mayer, die seit langem als Mitglied des evangelischen Kirchenvorstandes Nierstein einen Großteil der Aufgaben des lokalen Hilfswerks übernimmt, „hat ihre Wurzeln in der Unterstützung von sozialen Projekten in Russland u.a. Opfer der Katastrophe rund um das Atomkraftwerk Tschernobyl.“ Ehrenamtliche aus der evangelischen und katholischen Gemeinde hatten zunächst die Organisation von Hilfstransporten und Benefizkonzerten Mitte der 1980er Jahre übernommen. Jahr um Jahr nahm jedoch die Hilfsbedürftigkeit der Menschen in Russland und der Ukraine ab, die Spendenbereitschaft in Nierstein jedoch blieb. Auf die Frage, was man mit den Spenden nun machen sollte, kam, so Monika Mayer, die Antwort: „Hier in Nierstein gibt es auch Not!“
Armut als gut gehütetes Geheimnis
Insbesondere älteren Frauen, die ihren Mann verloren und in den Nachkriegsjahren als Tagelöhnerinnen in der Landwirtschaft nur ein kleines Zubrot verdient hatten, ging es zu dieser Zeit schlecht. Z. T. fehlten ihnen im Winter sogar das Geld für Holz oder Kohle zum Heizen. „Die kleine Witwenrente“, erzählt Monika Mayer, „reichte nicht zum Leben und nicht zum Sterben“. Mitten in der deutschen Wohlstandsgesellschaft litten sie im wahrsten Sinne des Wortes „Stille Not“. Selbst vor der Familie wurde das Ausmaß der Armut geheim gehalten. Nur wenn die Not zu groß wurde, wandten einige sich an den Pfarrer: „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll.“, hieß es dann. Dass dieses Verheimlichen der eigenen Not noch heute gang und gäbe ist, weiß Monika Mayer aus der Praxis ihres ehrenamtlichen Engagements: „Die Menschen wollen nicht, dass die anderen wissen, dass sie kein Geld haben“.
Lebensmittelgutscheine, zinslose Darlehen, Behördenpaten
Die Kirchenvorstände der evangelischen wie katholischen Kirchengemeinde beschlossen daher vor mehr als 2 Ehrenamtliche den Plan über 10 Jahre lang um. Dann lag die „Stille Not / Stille Hilfe“ für einige Jahre brach, bis Monika Mayer und Jannette van Lil als Mitglieder des evangelischen Kirchenvorstands und der katholische Gemeindereferent Joachim Josten mit Unterstützung der jeweiligen Pfarrer die Initiative mit neuem Leben erfüllten. Mittlerweile ist Gemeindereferent Josten im Ruhestand und Monika Mayer stemmt nun – unterstützt von einem Helferkreis, dem Diakonieausschuss der evangelischen Kirchengemeinde und von Pfarrer Kleene seitens der katholischen Kirchengemeinde – die Aufgaben des gemeindlichen Hilfswerkes. Froh ist sie, dass sie auf die ehrenamtliche Unterstützung eines „Behördenpaten“ zurückgreifen kann. Denn neben einer sofortigen Unterstützung, wenn es um Lebensmittel, den Kauf neuer Schuhe für das Kind oder einem kleinen zinslosen Darlehen geht, brauchen viele Hilfesuchende Hilfe beim Umgang mit der Bürokratie.
Schritt für Schritt die Dinge mit den Menschen regeln
„Wir merken“, erzählt die engagierte Ehrenamtliche, „dass die Leute im Umgang mit der Bürokratie häufig völlig überfordert sind, wenn z. B. der Partner plötzlich stirbt oder sie aufgrund einer Erkrankung langzeitarbeitslos werden. Manche tauchen einfach ab, lassen Fristen verstreichen und das Chaos wird nur noch größer. Wir helfen zunächst unbürokratisch aus der größten Not und versuchen, mit den Menschen Schritt für Schritt die Dinge zu regeln.“ Das Befriedigende dabei sei, erklärt sie, „dass viele Menschen, die wir mal unterstützt haben, nun auch so klarkommen.“
„Es ist eine dankbare Arbeit“
Die Aufgabe, die Monika Mayer übernommen hat und die sie auch gerne wieder mit mehr Ehrenamtlichen teilen würde, ist manchmal nicht leicht, denn sie wird mit viel Leid konfrontiert und muss dennoch sorgfältig prüfen, wer wirklich Hilfe braucht: „Wir besuchen die Leute, die sich an uns wenden, machen uns ein Bild und fragen, wo es denn brennt, was ist das für eine Not“. Besonders froh ist Monika Mayer, dass der evangelische Kirchenvorstand und der katholische Verwaltungsrat so hinter der Sache stehen. „Anfangs“, berichtet sie, „dachte ich, ich weiß nicht ob ich das kann. Aber mittlerweile gehe ich mit ganz viel Gottvertrauen an diese Aufgabe, denn es ist eine dankbare Arbeit.“
red