MAINZ-BINGEN – Andrea Müller-Bohn will Mainz-Bingen zukunftssicher, klimafreundlich und resilient aufstellen. Die Kandidatin der Grünen für das Amt der Landrätin skizziert im Gespräch mit Journal LOKAL ihr Konzept für einen „Zukunftslandkreis Mainz-Bingen“. Dabei gehe es ihr darum, sagt sie, dass jede und jeder in der Region „gut zwischen Rhein und Reben leben kann – heute und in Zukunft“. Während CDU und SPD ihrer Auffassung nach in den letzten Jahren den Stillstand verwaltet hätten, sei sie bereit, aktiv zu gestalten. Als grüne Landrätin stehe sie für einen klaren Kurs: „Zukunftslandkreis“ heißt für sie, die Lebensqualität mit Verstand und Leidenschaft zu sichern.
Journal LOKAL: Wie wollen Sie die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises fördern und den Haushalt nachhaltig gestalten?
Müller-Bohn: Um unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhalten, braucht es Fachkräfte, die hier nicht nur arbeiten, sondern auch leben wollen. Der Landkreis bleibt voraussichtlich bis 2040 ein Zuzugslandkreis, doch bis 2035 werden etwa 10.000 Erwerbstätige weniger hier leben. Der Fachkräftemangel ist spürbar. Um den Standort zu stärken, braucht es gute Arbeits- und Lebensbedingungen, wie bezahlbaren Wohnraum, gute Kita-Betreuung, digitale Infrastruktur, eine funktionierende Verwaltung sowie die schnelle Integration und Qualifizierung von Zugewanderten.
Unternehmen benötigen zügige und unkomplizierte Genehmigungsverfahren. Innovative Start Ups möchte ich durch ein Patenprogramm fördern. Die finanzielle Schieflage der Kreisverwaltung hat vor allem strukturelle Ursachen, insbesondere bei Pflichtaufgaben. Prozessoptimierungen und eine strikte Prüfung aller Ausgaben sind notwendig.
Und gerade Investitionen in Klimaanpassung und erneuerbare Energien sind ökonomisch nachhaltig, da später ergriffene Maßnahmen teurer würden. Für das gute Gelingen sind Kooperationen mit Wirtschaft und Kommunen sowie die Vermittlerrolle des Landkreises entscheidend.
Journal LOKAL: Wo sehen Sie Defizite bei der Integration von Migranten und Geflüchteten im Landkreis? Wie ist die Situation um deren Aufnahme und Unterbringung?
Müller-Bohn: Integration ist ein Gewinn für alle, besonders angesichts des Fachkräftemangels. Ich werde für unseren Landkreis eine Fachkräftestrategie mit Unternehmen, IHK und HWK entwickeln und umsetzen. Dazu gehört neben Sprachkursen auch der Abbau bürokratischer Hürden bei der Anerkennung von Abschlüssen.
Als Landrätin werde ich die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit durch Kooperationen mit Unternehmen und Kammern gezielt unterstützen. Denn: Der Arbeitsplatz istder beste Ort für Integration. Gleichzeitig fördern wir Bildungs- und Weiterbildungsangebote, auch für junge Geflüchtete.
Die Unterbringung der Geflüchteten ist häufig noch auf kurzfristige Kapazitäten ausgelegt und nicht auf eine nachhaltige Integration ins Gemeinwesen. Ich setze mich dafür ein, die Unterbringung menschenwürdiger und dezentraler zu gestalten, etwa durch mehr Wohnungen und Übergangslösungen, die eine Integration in Nachbarschaften erleichtern.
Zudem sollen Integrationsbeiräte stärker eingebunden werden, indem ihre Rolle auf kommunaler Ebene aufgewertet und ihre Finanzierung gesichert wird. Regelmäßiger Dialog, gemeinsame Projekte und die Bündelung von Ressourcen werden die Zusammenarbeit fördern, eine Willkommenskultur stärken und echte Teilhabe ermöglichen.
Journal LOKAL: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um den Klimaschutz imLandkreis weiter voranzutreiben?
Müller-Bohn: Ich setze mich für regionale Energiezellen sowie den massiven Ausbau Erneuerbarer Energien ein, Windkraft und Photovoltaik werden gezielt ausgebaut. Mit lokaler Energieerzeugung machen wir Mainz-Bingen unabhängiger und sorgen dafür, dass wir die Chancen der Energiewende vor Ort nutzen – ökologisch und ökonomisch. Zusätzlich muss Nachhaltige Mobilität gefördert werden: Der Ausbau von Radwegen, Schnellbuslinien, Mobilitätsstationen und e–Carsharing ist einSchlüssel zu einer umweltfreundlichen Verkehrswende. Diese Maßnahmen verbessern nicht nur den Klimaschutz, sondern auch die Lebensqualität. Ich will energetische Sanierungen, intelligenteHeizlösungen und technische Innovationen fördern, auch, um die Energiekosten für Bürger*innen zu reduzieren.
Journal LOKAL: Wie stehen Sie zur aktuellen Reform der Förderschulen und derenAuswirkungen auf die Inklusion im Landkreis? Welche Prioritäten setzen Sie für die Bildungspolitik im Landkreis?
Müller-Bohn: Als Landratskandidatin der Grünen begrüße ich grundsätzlich Schritte, die die Inklusion im Bildungssystem stärken. Dennoch muss sichergestellt sein, dass ausreichend Ressourcen für eine erfolgreiche Umsetzung bereitstehen. Inklusion darf nicht auf Kosten der individuellen Förderung von Schüler*innen gehen – Förderschulen und Regelschulen müssen eng zusammenarbeiten, um jedem Kind gerecht zu werden.
Dafür sind multiprofessionelle Teams, individuelle Förderpläne und barrierefreie Schulumgebungen essenziell. In der Bildungspolitik sind meine Prioritäten die Verbesserung der digitalen und baulichenAusstattung aller Schulen im Landkreis, die Förderung nachhaltiger Schulkonzepte und der Ausbau von Ganztagsangeboten. Lehrkräfte benötigen dringend Entlastung durch zusätzliche Schulsozialarbeiter, Unterstützungspersonal und regelmäßige Weiterbildungsangebote.
Ich setze mich dafür ein, dass der Landkreis Schulen, Lehrkräfte und Eltern bestmöglich unterstützt, umChancengleichheit und Inklusion voranzutreiben. Und die Fortschreibung desSchulentwicklungsplanes wird es hoffentlich zeigen: Mainz-Bingen braucht eine weitere weiterführende Schule. Gerade in Nieder-Olm ist die Situation für Schülerinnen und Schüler nicht zufriedenstellend. Von großer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung wäre auch dieAnsiedlung einer internationalen Schule im Landkreis. Auch dafür werde ich mich einsetzen.
Journal LOKAL: Welche Maßnahmen verbessern Ihrer Meinung nach die Qualität der Pflege in häuslichen und stationären Einrichtungen?
Müller-Bohn: Die demographische Entwicklung zeigt, dass der Bedarf an Pflege im Landkreis Mainz-Bingen weiter steigt. Um die Qualität in häuslichen und stationären Einrichtungen nachhaltig zu verbessern, setze ich mich als Landratskandidatin für folgende Maßnahmen ein: Wir brauchen bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, etwa durch höhere Löhne, familienfreundliche Arbeitszeiten, und eine stärkere Einbindung der Beschäftigten.
Eine gezielte Fachkräftegewinnung und -ausbildung, auch durch die Integration internationaler Pflegekräfte, ist unerlässlich. Auch das wird Teil der Fachkräftestrategie sein, die ich umsetzen möchte. Die häusliche Pflege unterstützen wir durch den Ausbau von Pflegestützpunkten, mehr Kurzzeitpflegeangeboten und quartiersbezogene Ansätze wie Pflege-WGs.