
RÜSSELSHEIM – Nur rund ein Fünftel der im Handwerk Tätigen sind Frauen. Gleichzeitig fehlt es dem Handwerk an Nachwuchs. „Grund genug für handwerkliche Berufe zu werben und zu zeigen, dass auch Frauen sehr erfolgreich in diesem Metier sein können“, sagte Oberbürgermeister Udo Bausch. Im Rahmen seiner Reihe „Oberbürgermeister trifft Handwerk“ besuchte er dieses Mal Betriebe, in denen drei Frauen ihren Weg unter immer noch häufig männlich dominierten Arbeitsbereichen gefunden haben. Angeschaut hat sich der Oberbürgermeister Motorrad Stein, Schöne Aussichten und Fahrrad Herth.
Zweiradmechanikerin Eva Stein kennt sich nicht nur aufgrund ihrer Ausbildung mit Motorrädern gut aus. Sie ist bis vor zwei Jahren selbst Rennen bei der Internationalen Deutschen Motorradmeisterschaft gefahren und weiß genau, wie sich Fahrzeugteile, Räder und Zubehör auch unter extremer Nutzung verhalten. „Für mich sind Motorräder nicht nur Arbeit, sondern Leidenschaft“, sagte die 27-Jährige. Ihren Einstieg sowohl in den Beruf als auch ins Renngeschäft hat sie über ihre Familie gefunden.
Die Firma Motorrad Stein hat sich vor allem auf den Verkauf und Werkstattleistungen rund um die Marken Aprilia, Moto Guzzi, Kymco und Suzuki spezialisiert. Der Betrieb ist seit 2005 in Rüsselsheim in der Kupferstraße 4 im Gewerbegebiet Hasengrund ansässig. Zudem war die Familie erfolgreich mit einem eigenen Rennteam bei der IDM vertreten, die in der Vergangenheit einige Erfolge einfahren konnte. Kein Wunder also, dass auch Eva Stein irgendwann von den schnellen Sportmaschinen angetan war. Aber nicht nur bei der Leistung der Maschinen kennt sie sich gut aus, auch das Thema Sicherheit liegt ihr am Herzen. Denn durch einen Unfall musste sie den Rennsport aufgeben. „Eva Stein hat ihre Berufung gefunden, das merkt man, wenn man sich mit ihr unterhält. Damit ist sie nicht nur eine Bereicherung für ihren Betrieb, sondern kann auch andere von ihrem Handwerk begeistern“, sagte Bausch. Voraussetzung für die Ausbildung und Arbeit in einer Werkstatt sei nach Stein, dass der Nachwuchs anpassungsfähig, zuverlässig und belastbar sein müsse. Dann könne man auch als Frau gut als Zweiradmechanikerin arbeiten.
Das gilt auch für andere Handwerksberufe, etwa in der Raumausstattung, wie Sylvia Schmidt zustimmt. Anders als Stein kam Sylvia Schmidt über Umwege ins Handwerk. Zunächst wollte sie Lehrerin werden. „Ich merkte aber bald, dass ich mehr gestalten und am Ende des Tages Resultate sehen wollte. Deswegen habe ich nach dem Studium eine Lehre als Raumausstatterin gemacht“, erzählte Schmidt. Mittlerweile ist sie selbst Inhaberin eines Raumausstattungsgeschäfts in der Königstädter Straße, das sich auf nachhaltige und kundenfreundliche Gardinen spezialisiert hat. „Gerade jungen Menschen, die ein Studium angefangen haben und jetzt an diesem Weg zweifeln, bietet das Handwerk sehr viele Möglichkeiten. Ich finde es beeindruckend, dass sich Sylvia Schmidt über diesen Weg erfolgreich zur Chefin hochgearbeitet hat“, sagte Bausch bei seinem Besuch. Gerne würde das aus Frauen bestehende Team weiter expandieren, jedoch fehlt es an qualifizierten Fachkräften. „Es ist verrückt, meine Auftragsbücher sind voll, trotzdem suchen wir seit langem Verstärkung und finden niemanden“, berichtete sie. Aber zumindest um ihre Nachfolge kümmert sich Schmidt frühzeitig. Natascha Klaffke kennt sie bereits seit deren Ausbildung, die diese bei Schmidt gemacht hat. Sie soll in den kommenden Jahren die Geschäfte nach und nach übernehmen. Schmidt ist stolz darauf, dass Schöne Aussichten auch weiter von einer Frau geführt werden soll.
Unter weiblicher Führung steht auch die Fahrrad-Werkstatt Fahrrad Herth. Martina Bosenius ist die Chefin des ansonsten aus Männern bestehenden Teams. Sie führt den Betrieb bereits in vierten Generation und hat ihn stetig weiterentwickelt. Und auch hier brummt das Geschäft: „Mit unseren Fahrrädern gehören wir eindeutig zu den Gewinnern der Corona-Pandemie, denn vor allem E-Bikes sind gerade gefragt wie nie“, sagte Bosenius. Während sie vor wenigen Jahren noch überwiegend klassische Fahrräder ohne Motorenunterstützung verkauft habe, bestünden heute mehr als 90 Prozent der Verkäufe aus dem E-Bike-Sortiment. Damit haben sich nicht nur das Preissegment, sondern auch die Arbeiten in der Werkstatt verändert. Aber auch Services wie die Fahrradversicherung und Leasingangebote für Unternehmen gehörten heute zum Geschäftsfeld dazu. „Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich der Markt für Fahrräder entwickelt. Fahrräder nehmen wieder einen zunehmenden Anteil in der Mobilität ein, so dass die beruflichen Aussichten für junge Menschen gut sind. Es ist mir daher wichtig, dass wir gerade bei Jugendlichen dafür werben und ihnen zeigen, dass sie im Handwerk eine Zukunft haben“, sagte Bausch.
Iris Allmendinger von der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main, die ebenfalls die Besuche begleitet hat, verweist auf die Maßnahmen wie der App Lehrstellen-Radar. Hierüber sollen Betriebe und Lehrlinge zueinanderfinden. Um für die Ausbildung zu werben, geht die Stadt Rüsselsheim auch in die Schulen. So veranstaltet die Stadt an den Rüsselsheimer Gymnasien die Ausbildungsreihe „Unternehmen stellen sich vor“, wo Schülerinnen und Schüler sich direkt in den Betrieben über deren Arbeit informieren können. „Gerade an den Gymnasien müssen wir verstärkt dafür werben, dass die Handwerksberufe eine erfolgreiche Alternative zum Studium sein können“, sagte Bausch abschließend.
Magistrat der Stadt Rüsselsheim am Main
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