FLÖRSHEIM – Gut gemeintes Abraten bewirkt manchmal das Gegenteil
August 1998: „Bub, mach des nitt! Des werd‘ nix!“ Diese gut gemeinte aber wenig ermutigende Behauptung kam von Leuten, die es wissen mussten: Den Betreuern der Storchenstation in Wiesbaden-Schierstein. Der „Bub“, dem dieser Ratschlag galt, war Bernd Zürn vom BUND Flörsheim. Er wollte damals, im Alter von 60 Jahren, dass sich im Bereich Flörsheim endlich wieder Weißstörche ansiedeln. Dazu brauchte er Informationen über diese Tiere und ihre Lebensweise. Die erhoffte er sich damals von den Schiersteiner Storchenbetreuern.
Mit ihrem strikten Abraten erreichten sie bei ihm das Gegenteil! In einem ersten Schritt galt es, geeignete Standorte für (zunächst) fünf Storchenmasten zu suchen. Den renaturierten eingezäunten Nordostteil der Deponie in Flörsheim-Wicker hielt ein erfahrener Fachmann für besonders geeignet.
Die Zustimmung der Deponiegeschäftsleitung kam rasch und unbürokratisch. Deshalb wurden dort auch die beiden ersten Nisthilfen aufgestellt. Die Nester („Horste“) entstanden in einer Schreinerei. Aus massivem Buchenholz. Durchmesser: Beachtliche 150 Zentimeter!

Hilfsbereiter Stromversorger
Sehr großzügig zeigte sich die „MKW“, der damalige örtliche Stromversorger. Er lieferte nicht nur die gut zehn Meter langen Holzmasten sondern stellte sie auch noch auf. Mit reiner Muskelkraft und viel „Hau Ruck!“ Von den insgesamt fünf Masten, aufgestellt Ende 2000 und Anfang 2001, steht heute keiner mehr. Wind und Wetter haben ihnen stark zugesetzt. Sie wurden durch neue ersetzt.
Partnertreue? Fehlanzeige!
Im Sommer 2004 gab es die erste Brut! Drei Junge!! Sie wurden am 25.06.2004 beringt. Für das Storchenweibchen, geboren im Mai 2002 in Rheinhessen, war es die erste Brut. Das kann man auch für das ein Jahr ältere, in der Nähe von Straßburg am 5. Juni 2001 beringte Männchen, unterstellen. Fünf Jahre lang blieb das Paar diesem Standort treu. Insgesamt vierzehn Junge zogen sie in dieser Zeit groß. Im Jahr 2009 holte sich das Männchen eine jüngere, nämlich die 4X140, ein im Jahr 2006 in Schierstein geschlüpftes Weibchen. Das ging vier Jahre lang gut. In dieser Zeit zogen sie zwölf Jungen groß. Im Jahr 2013 ein erneuter Wechsel. Auch diesmal war es wieder eine Jüngere, die er sich in sein luftiges Quartier holte.
Trotz Routine: Immer wieder Aufregung und Spannung
Nach mehr als zwanzig Jahren Erfahrung mit Störchen ist auch beim BUND Flörsheim manches zur Routine geworden. Dennnoch: Aufgeregt warten die Umweltschützer in jedem Frühjahr auf die Rückkehr ‚ihrer‘ majestätischen gefiederten Freunde. Spannend wird es ab Mitte Mai, wenn die Jungen erstmals ihre Köpfchen über den Nestrand strecken. Höhepunkt ist aber immer die Beringung der Kleinen. Die erfolgt, je nach Witterung, Ende Mai bis Mitte Juni. Es geschieht grundsätzlich öffentlichkeitswirksam. Auf Einladung des BUND kommen dann Medienvertreter/innen und interessierte Mitbürger/innen. Oft sind es Eltern mit ihren Kindern. Manchmal etwas ängstlich, meistens aber tapfer und aufgeregt, nehmen sie an der Beringung und der hautnahen Begegnung mit diesen doch schon recht großen Tieren teil.

Ein recht zufriedenstellendes ‚Storchenjahr 2023‘
Das ‚Storchenjahr 2023‘ war aus Sicht des BUND Flörsheim recht zufriedenstellend. In dem von ihm betreuten Gebiet im westlichen MTK und dem Ostrand von Wiesbaden gab es deutlich mehr Brutpaare und Junge als in den Vorjahren. Am 2. Juni konnte der BUND auf seinen fünf Holzmasten insgesamt siebzehn Jungtiere beringen lassen. Erschreckend hoch war die Zahl der toten Störche. Mindestens dreiundzwanzig nachgewiesene Ausfälle sind bekannt. Dazu kommt noch eine Dunkelziffer. Die meisten waren ‚Stromtode‘, gestorben durch Kontakte mit Starkstromleitungen.
Das würden die Stromversorger und der BUND gerne ändern. Eine Lösung haben sie bisher noch nicht gefunden.
Bernd Zürn