RÜSSELSHEIM – Dass zu dem Schreiben des RP zur Rüsselsheimer Haushaltssituation Fragen in der Öffentlichkeit und im politischen Raum aufgekommen sind, findet Oberbürgermeister Udo Bausch verständlich. Am 4. Juni sei der Brief im Rathaus eingegangen. „Ich habe dann unverzüglich die Fraktionsvorsitzenden und den Magistrat informiert, auch den Stadtverordneten ist das Schreiben der Aufsichtsbehörde zugegangen“, sagt Bausch.
Überrascht zeigte sich Rüsselsheims Oberbürgermeister allerdings davon, dass die Anforderungen an den Haushalt 2021 trotz der Pandemie-Lage extrem hoch gehängt sind.ies sei in den Gesprächen mit dem Regierungspräsidium bislang so nicht deutlich geworden. Die Darmstädter Aufsichtsbehörde wolle Verbesserungen deutlich höher und vor allem schon früher als erwartet, inklusive konkreter zu beschließender Maßnahmen. Dass die Finanzzahlen für 2021 im Zeichen der Corona-Pandemie stehen würden, hatte Bausch bereits in seiner Rede zur Einbringung des Haushalts im Oktober 2020 klar gemacht. Unmissverständlich wies er schon damals darauf hin, dass die Corona-Pandemie einschneidende finanzielle Folgen für den Haushalt 2021 haben werde. „Vor allem die Einnahmen sind durch Corona weggebrochen, beispielsweise bei der Gewerbesteuer, die von 26 Millionen auf 17,5 Millionen Euro absackte. Diese und weitere Ertragseinbrüche sowie Corona-bezogene Mehraufwendungen machen 70 Prozent des aktuellen Defizits aus“, betont Bausch. Während der Bund den Kommunen 2020 großzügige Corona-Kompensationszahlungen zur Verfügung stellte, entfielen diese für 2021 gänzlich. „An der Situation in den Kommunen hat sich jedoch nichts geändert, und es wird noch etwas dauern, bis die Wirtschaft sich von der Pandemie erholt. In dieser für viele Unternehmen, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger sehr schwierigen Zeit, hat die Stadt Rüsselsheim alles in ihrer Macht stehende getan, um zu unterstützen und zu helfen,“ sagte Bausch. Er sehe dieses Geld hier an der genau richtigen Stelle investiert. Der Haushaltsplan für 2021 enthalte keinerlei große neue Maßnahmen, die erstmals oder nachhaltig den Haushalt belasteten. Auch die Entwicklung bei den Personalstellen habe sich nicht verändert. Es sei schäbig, wenn Bund und Land die Kommunen in dieser Situation allein ließen, obwohl sie nicht nur die Mehrkosten durch Corona sondern auch die massiven Einbrüche bei Gewerbsteuer und den Gemeindeanteilen an anderen Steuern zu verkraften hätten. „Die Corona-Zeche ist bundesweit zu bezahlen, und in den kommenden Monaten werden da vielen noch die Augen aufgehen“, sagte Bausch.
Vor diesem Hintergrund ist es für Bausch unverständlich, dass das Regierungspräsidium noch in der Pandemie allein auf den Haushaltsausgleich achte. „Ohne Corona hätten wir in 2021 einen ausgeglichenen Haushalt erreicht. Die Stadt Rüsselsheim hat alle Auflagen zielgerichtet abgearbeitet, um sich zu entschulden und war auf einem sehr guten Weg“, führt Bausch weiter aus. Und nicht nur hierbei seien Erfolge zu verzeichnen. Rüsselsheim hatte im Vergleich zu vielen anderen hessischen und deutschen Kommunen unterschiedliche Herausforderungen, aber auch Chancen zu berücksichtigen. So sind die Auswirkungen des demografischen Wandels in Rüsselsheim entgegen des bundesweiten Trends kaum zu spüren. Die Bevölkerung sowie die Altersgruppen bis 30 Jahre wachsen stark. Zudem ist Rüsselsheim ein starker Zuzugsort, vor allem auch für jüngere Altersgruppen, und auch Einpendlerstandort. „Viele Menschen ziehen aus Bildungs- und Berufsgründen nach Rüsselsheim. Die Stadt ist außerdem immer noch ein vor allem durch Produktion geprägter Standort, wie der 2. Platz bei der Bruttowertschöpfung je Einwohner beziehungsweise Einwohnerin in Hessen zeigt, mit den entsprechenden Prozessen von Wandel und Modernisierung. Dennoch hat sich Rüsselsheim als Zukunftsstandort neu positioniert, und wird seiner Rolle als zehntgrößte Kommune in Hessen damit mehr als gerecht“, sagt Bausch. Die entsprechenden Prozesse von Wandel und Modernisierung seien aber noch nicht abgeschlossen. Die Stadt benötige daher dringend weitere Investitionen.
„Kein Geringerer als das Land Hessen fordert die Kommunen außerdem dazu auf, den dringend benötigten Wohnraum für die Menschen im Ballungsraum zu schaffen. Wir kommen dem nach, schon aus eigenem Interesse. Klar ist aber auch, dass auch solche Investitionen in die Zukunft zunächst einmal Geld kosten“, erklärt Bausch. Neben den reinen Entwicklungskosten gehe dies mit den entsprechenden Ausgaben bei Erschließung, Bildung und Betreuung einher. Zu den Projekten zählten bekannter Weise die Eselswiese, das Quartier am Ostpark, die Motorworld mit Mix aus Gewerbe, Wohnen und Einzelhandel. Die Gewobau als überwiegend städtische Wohnungsbaugesellschaft werde allein in diesem Jahr über 44,7 Mio. EUR Investitionen tätigen. Auch die Bildung von Forschungs- und Entwicklungs-orientierten Infrastrukturen für Unternehmen und Wissenschaft sei langfristig angelegt und zu finanzieren, um auch zukünftig Wertschöpfung am Standort zu ermöglichen. „Es bedarf hier keiner Aufforderungen seitens des RP, an der Einnahmeseite zu arbeiten. Wir tun dies längst und zukunftsorientiert, aber wir tun dies nicht, indem wir die Steuerschrauben für unsere Unternehmen und die Bürgerschaft immer weiter anziehen. Das können sie in der Pandemie in keinster Weise verkraften. Zudem könnten sich mit einer möglichen Freisetzung von Opel-Flächen weitere einschneidende, die Stadtentwicklung prägende Entwicklungsbedarfe ergeben.
Insgesamt sind die Maßnahmen der Stadt für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen während der Corona-Pandemie, etwa das Aussetzen von Steuer- und Gebührenzahlungen, umfangreich und kostenintensiv gewesen und haben daher ihren Anteil an der aktuellen Haushaltslage. Doch sie zeigen Erfolge. „Es ist beruhigend, dass die anfänglich in der Pandemie gestiegenen Arbeitslosenzahlen in Rüsselsheim wieder sinken. Nach dem Höchststand im Spätsommer 2020 mit über 9 Prozent, liegt der Wert im Mai 2021 erstmals wieder unter 8 Prozent, genau 7,8 Prozent“, informiert Bausch. Aktuell würden auch wieder mehr Stellen besetzt.
Bauschs Fazit fällt daher anders aus als das des RP. Die Stadt habe trotz Corona ihre Hausaufgaben gemacht, ihre Stadtentwicklungsziele und Großbaustellen, vor allem an Schulen, stringent weiter verfolgt. Das werde sie auch weiterhin tun. Der vor Corona beschrittene Konsolidierungspfad sei wieder erreichbar, der Ausgleich könne bis zum Jahr 2024 dargestellt werden. „Er wird jedoch nicht nur durch Einsparungen, sondern auch durch Investitionen bewirkt. Von einseitigen Kürzungsmaßnahmen oder Steuererhöhungen zum jetzigen Zeitpunkt dagegen wären vor allem unsere Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in dieser Stadt betroffen“, sagt Bausch. Es gelte nun parteiübergreifend und als Stadtgesellschaft darauf hinzuwirken, die Stadt für die kommenden Jahrzehnte auszurichten: Prosperierend, ökologisch, sozial und nachhaltig. Dies gehe nur gemeinsam. Corona dürfe die Entwicklung der Stadt nicht stoppen. Und Rüsselsheim müsse in dieser schwierigen Zeit zusammenstehen und sich nicht auseinander dividieren lassen. Bereits angekündigt hatte Bausch, dass sich zunächst der Magistrat intensiv mit dem Schreiben des RP und der Haushaltslage befassen werde, danach werde er auf die Stadtverordneten zugehen.
Magistrat der Stadt Rüsselsheim am Main
Fachbereich Zentrales