Start Hessen Erste Impfaktion in der Weingartenschule Ein Pieks für die Freiheit

Erste Impfaktion in der Weingartenschule Ein Pieks für die Freiheit

Foto: Alexander van de Loo

KRIFTEL – Der Rettungswagen des ASB sticht sofort heraus. Er steht inmitten der vielen Autos auf dem Parkplatz der Weingartenschule (WGS) in Kriftel. Gab es ein Unglück? Wohl eher das Gegenteil ist der Fall. Manche Schülerinnen und Schüler würden diesen Tag mehr als einen Glücksfall betrachten. Ihre Eltern auch. Es ist Freitag, 24. September, nach der sechsten Stunde. Da fand in der WGS die erste Impfaktion statt.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ASB haben in den erst kürzlich renovierten und neu eingerichteten Biologieräumen ein Impfzentrum eingerichtet. Es ist ein stattliches Dutzend Helfer unterwegs. Sogar ein Apotheker, der die Kühlkette der Impfstoffe und deren Qualität überwacht. Nichts soll dem Zufall überlassen werden. „Als richtig professionell und klinisch“, empfindet der Leiter des Realschulzweigs Dr. Christoph Richter die Atmosphäre dort, „etwa wie in einer großen Arztpraxis“. Hier sind in der Tat echte Profis am Werk.

Zwei Ärztinnen leiten die Aktion, setzen ebenso die Spritzen wie ihr medizinisches Fachpersonal und reden beruhigend mit den jungen Impfwilligen. „Ich bin schon nervös“, gibt die 12-jährge Josefine aus der G7c unumwunden zu. Sie ist mit ihren Eltern hier, die beide die Aktion gut heißen. Es mache doch keinen Sinn, länger zu warten, Impfen gebe mehr Freiheit, da sind sich beide einig. Hier in den gewohnten Schulräumen zu impfen, sei auch „vertrauter und bequemer“, wie ihre Tochter ergänzt.

Alle tapfer
Mittlerweile ist die Schlange vor der Anmeldung länger geworden, Zuspruch ist da. Die Kinder müssen ihren Impfpass und die Einwilligung der Eltern vorweisen und erhalten einen Laufzettel mit ihrer Aufrufnummer. Viele Eltern begleiten ihre Schützlinge. Kinder unter 14, die weder Einwilligung noch Eltern dabeihaben, müssen eine Telefonnummer eines Erziehungsberechtigten vorweisen. Die wird dann von der stellvertretenden Schulleiterin Sabine Trapp, die die Aktion verantwortlich begleitet, angerufen. Da hat sie einiges zu tun.

Aber alles läuft gut. Keines der impfbereiten Kinder fällt in Ohnmacht angesichts der Spritze. Eine Liege steht schon einmal vorsorglich bereit. „Alles schon mal vorgekommen“, meint die freundliche Rettungssanitäterin am Eingang. Besonders Jungs seien da anfällig, fügt sie mit einem Zwinkern dazu. Heute sind alle 35 geimpften Kinder tapfer, eigentlich eher cool. Der 14-jährige Yechan aus der G7c beispielsweise. Der junge Südkoreaner ist froh, dass er jetzt geimpft ist. „Die damit verbundene Reisefreiheit ist uns besonders wichtig“, betont der Junge, der mit seiner Familie demnächst nach Südkorea fliegt. Wenn Impfen weniger Einschränkungen bedeute, solle man es tun.

Höhere Impfquote
Vor einigen Wochen hatte der Deutsche Lehrerverband noch ein unangenehmes Szenario entworfen. Kinder, Jugendliche und Lehrkräfte müssten wohl noch Monate mit Masken, Tests und Abstandsregeln zurechtkommen, hieß es. Den „Freedom Day“ für Schulen sehe man frühestens ab etwa Februar 2022 als wahrscheinlich und möglich an, prophezeite der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger. Von „Freedom Day“ spricht man, wenn – wie in England und Dänemark – die Corona-Maßnahmen weitgehend aufgehoben werden.

Auch die Bildungsgewerkschaften GEW und VBE, die hunderttausende Lehrkräfte in Deutschland vertreten, sahen die Schulen im neuen Schuljahr noch weit von einer Normalität wie vor Corona entfernt. Mittlerweile ist man weiter. Ein möglichst normaler Schulbetrieb wird zeitnah gewünscht. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung, Andreas Gassen, beispielweise tritt für ein Ende der Corona-Maßnahmen bis 30. Oktober ein. Andere Experten verweisen auf eine zu erreichende Impfquote von über 80 Prozent als Entscheidungsgrundlage.

„Impfung ist der wirksamste Schutz gegen das Virus“, ist sich Sabine Trapp am Freitag sicher.  „Geimpft wird mit BioNTech für die Kinder und mit Johnson und Johnson für impfbereite Eltern“, erklärt sie weiter. Befürchtungen wurden durch Aufklärung zerstreut. Dazu gab es zwei Tage vorher eine Online-Einführung vom Impfzentrum Main-Taunus. Die kam bei den Eltern gut an und hat auch zu einer Befürwortung der Impffaktion beigetragen, wie Elternbeiratsvorsitzende Melanie Hirt zu berichten weiß. Mehrheitlich sei das Impfangebot von der Elternschaft sehr positiv aufgenommen worden. Die Gelegenheit wurde begrüßt, sich auf kurzem Wege schnell und unkompliziert die Erst- oder Zweitimpfung abzuholen. So stiegen die Quoten.

Zweite Impfaktion kommt
Auch der Mutter des 12-jährigen Robin aus der G7c, der sich zu dem „Glückstag“ einen Hut aufgesetzt hat, war die Impfaktion willkommen. Erst war sie skeptisch, weil ihr Junge erst gerade 13 geworden sei. Aber der Familien- und Freundeskreis habe eine Impfung grundsätzlich befürwortet.  „Keine Frage“, lautet ihr Fazit, „die ständigen Tests sind nervig und kompliziert. Mit der Impfung helfen wir, Corona zu besiegen.“ Robins kleine Schwester sei richtig neidisch, dürfe aber noch nicht.

Überhaupt nicht gezögert hat der 16-jährige Carlogero aus der R9c. Seine Eltern hatten beide Corona, er will sich sicher fühlen. „Ich weiß, wie übel Corona verläuft“, hebt er hervor, „diese Aktion ist ein wertvoller Beitrag zu mehr Freiheit für uns alle.“ Die Weingartenschule bleibt dran. Viele Eltern hätten nach einem zweiten Impftermin in der Schule gefragt. „Es wird ein zusätzliches Impfangebot nach den Herbstferien bei uns geben“, lässt Direktorin Elke Wetterau-Bein verlauten. Und diesmal für die ganze Gemeinde. In Zukunft solle das einzig Ansteckende möglichst die Impfbereitschaft der Bevölkerung sein.

Alexander van de Loo
Gemeinde Kriftel