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Managerin mit der Krone der Traubenkönigin von Gau-Algesheim Mit sicheren Schritten geht Jule Dickenscheid in das zwei Amtsjahr

Die Traubenkönigin muss für das Studium unter der Woche von Gau-Algesheim nach Mainz pendeln: Jule Dickenscheid am Fastnachstbrunnen. Foto: Gregor Starosczyk-Gerlach

GAU-ALGESHEIM – Als Jule Dickenscheid vor gut einem Jahr das Amt der Traubenkönigin von Gau-Algesheim übernahm, ahnte sie schon, dass es eine Herausforderung sein würde und mit einer persönlichen Entwicklung verbunden ist. Gleichwohl überrascht sie, wie sehr das Amt ihr Leben verändert hat. Zumindest zeigt sie sich im Gespräch mit Journal LOKAL erstaunt darüber, dass sie erst jetzt im zweiten Jahr – in Gau-Algesheim werden die Königinnen für zwei Jahre gewählt – bestimmte Dinge richtig genießen kann, weil sie entspannter ist.

Schon bei der Wahl zeigte sich, dass Dickenscheid weltoffen, wortgewandt und am Leben interessiert ist. Und dass sie mehr sein will als nur Dekoration. „Viele denken, man muss einfach nur hübsch sein und lächeln können“, erzählt die junge Weinrepräsentantin im Gespräch. Dieses Klischee, das nicht nur ihr, sondern vielen Weinmajestäten begegnet, ist schlicht und einfach falsch. Sie ist zu nett, um sich darüber zu ärgern, aber richtig findet sie diese Sichtweise nicht.

„Die Arbeit, die wir leisten, wird oft nicht gesehen. Was wirklich dahintersteckt, wird unterschätzt.“ Natürlich hilft ihr die Familie. Die Liste der Aufgaben, die Dickenscheid zu bewältigen hat, ist lang. „Aber um das Cabrio muss ich mich selbst kümmern“, erzählt sie schmunzelnd. Sie ist ihre eigene Managerin, organisiert alle Termine eigenständig, plant ihre Auftritte und schreibt die Reden selbst, die sie nicht vom Zettel abliest, weil sie die Zuhörer direkt ansprechen möchte. Für die Eröffnungsrede beim Fest des jungen Weines habe sie eine spezielle Metapher gewählt: „Ich habe das Amt der Traubenkönigin mit der Herstellung des Weines verknüpft, um etwas mehr Tiefe hineinzubringen, statt nur das Übliche zu sagen.“

Über ihren Instagram-Account gibt sie Einblicke in ihren Alltag als Traubenkönigin. „Ich habe meine Follower beim Weinfest mitgenommen, um ihnen zu zeigen, dass das Amt viel mehr ist, als nur auf Feiern präsent zu sein.“ Sie sieht die sozialen Medien als wichtige Möglichkeit, ein breiteres Publikum zu erreichen und zu zeigen, was hinter der Rolle der Traubenkönigin steckt.

Letztendlich geht es auch darum, nah bei den Menschen zu sein, deren Stadt sie repräsentiert. Dickenscheid schätzt es, mit Gau-Algesheimern und Gästen, wie zuletzt auf dem Fest des jungen Weines, ins Gespräch zu kommen. „Wenn ich im Kleid über das Weinfest gehe, dauert es ewig, weil jeder mit mir reden möchte“, erzählt sie. Diese Gespräche seien sehr belebend für ihr Amt. „Man erfährt immer wieder etwas Neues, jeder hat seine eigene Geschichte.“ Klar sei es bisweilen anstrengend, immer im Mittelpunkt zu stehen, besonders wenn man müde ist. Aber auch das Einteilen ihrer Kräfte und das Gleichgewicht zwischen Präsenz und Ruhe müsse sie für sich selbst ausbalancieren.

Viel Arbeit für eine junge Frau, die gleichzeitig ein duales Studium absolviert. Dort trifft sie auf ein Kontrastprogramm. „In meinem Job arbeite ich mit Menschen, denen es gesundheitlich nicht gut geht. Dann komme ich zu den Weinfesten, wo alles fröhlich ist und gefeiert wird.“ Dieser Kontrast sei manchmal schwer zu verarbeiten, aber er habe ihr auch geholfen, das Leben mehr zu schätzen. „Man lernt, die kleinen Dinge mehr zu genießen, wenn man sieht, wie schlecht es anderen gehen kann.“

Diese Botschaft will sie vermitteln. Weinmajestät zu sein, sei eine lange Tradition, aber noch lange nichts Angestaubtes. Es sei vielmehr etwas, das durchaus Bedeutung hat, weil es bestimmte Ideale und Werte vermittelt. Sie habe durch ihre Tätigkeit viele neue Kontakte und Freundschaften geknüpft, vor allem zu den anderen Weinmajestäten. „Es ist faszinierend, wie unterschiedlich wir alle sind – von schüchtern bis extrovertiert – und doch teilen wir alle dieselbe Leidenschaft.“ Wie Dickenscheid erzählt, entdeckt sie, wie sehr das Amt zur persönlichen Entwicklung beiträgt. „Man wächst mit seinen Aufgaben, überwindet Hemmungen und lernt, sich selbst zu organisieren.“ Diese Erfahrungen möchte sie nicht missen.

Zur Wahl des ersten männlichen Weinkönigs in Rheinhessen gefragt, sagt sie: „Ich finde es gut, dass Gleichberechtigung in so vielen Bereichen Einzug hält“, erklärt sie. „Aber ich frage mich, warum man gerade hier anfängt, wo in anderen Bereichen noch viel mehr getan werden muss.“ Grundsätzlich habe sie jedoch nichts gegen die Veränderungen: „Es ist einfach neu für uns alle.“

Eine noch größere Herausforderung könnte für Dickenscheid jedoch die Frage sein, ob sie den nächsten Schritt gehen und sich zur rheinhessischen oder gar deutschen Weinkönigin aufstellen lassen soll. „Ich wurde schon öfter darauf angesprochen, aber ich weiß nicht, ob ich die Zeit dafür habe“, sagt sie nachdenklich. Sie steht derzeit mitten in ihrem dualen Studium zur Physiotherapeutin, das ihr viel abverlangt. „Es wäre auf jeden Fall ein ‚Next Level‘. Man hat viel mehr Termine, und ich weiß noch nicht, ob ich das mit meinem Studium unter einen Hut bekomme.“

Eines jedoch lässt Dickenscheid keine Ruhe: die Überlegung, das Amt der Weinmajestäten in Zukunft abzuschaffen und durch neutrale Repräsentanten ohne Krone zu ersetzen. „Das fände ich extrem schade“, sagt sie. „Es ist eine so schöne Tradition, die den Ort und die Weinkultur repräsentiert. Ich habe mich mit den früheren Traubenköniginnen immer verbunden gefühlt. Diese Krone weiterzugeben, ist etwas Besonderes.“ Sie betont jedoch, dass Traditionen auch modernisiert werden können. So spricht sie sich dafür aus, dass Weinmajestäten nicht zwingend Kleider tragen müssen. „Ein schicker Anzug kann genauso gut aussehen“, sagt sie und fügt hinzu, dass sie selbst bereits bei offiziellen Anlässen Anzüge getragen habe. „Ich ziehe auch gerne Kleider an, aber wenn jemand Hosen tragen möchte, warum nicht?“

Am Ende bleibt für Dickenscheid vor allem die Erkenntnis, dass das Amt der Traubenkönigin eine einzigartige Gelegenheit ist. „Man wächst daran, lernt neue Menschen kennen und kann etwas bewirken.“ Diese Erfahrungen werden sie und ihre Mitstreiterinnen auch in Zukunft weitergeben – hoffentlich mit Krone.