Start Gesellschaft Unsagbare Geschichte ausgesprochen Nierstein erinnert an NS-Krankenmorde

Unsagbare Geschichte ausgesprochen Nierstein erinnert an NS-Krankenmorde

Graue Busse vor der Landesheilanstalt Eichberg. Sie dienten auch den Transport im Rahmen der systematischen Ermordung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen während der NS-Zeit. Foto: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden (Abt. 3008/1, Nr. 1014)

NIERSTEIN – Mindestens 24 Menschen aus Nierstein und Schwabsburg befanden sich während der NS-Zeit in verschiedenen psychiatrischen Anstalten. Sechs von ihnen wurden nachweislich im Zuge der „Aktion T4“ zwischen Januar und August 1941 in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet. Wahrscheinlich weitere fünf Männer und Frauen wurden im Rahmen der sogenannten „dezentralen Euthanasie“ an unterschiedlichen Orten getötet. Zwei kleine Jungen fielen der sogenannten „Kinder-Euthanasie“ auf dem Eichberg zum Opfer.

Der Geschichtsverein und die Stadt Nierstein gedenken der Opfer des Nationalsozialismus mit einer Veranstaltung, die das dunkelste Kapitel der regionalen Geschichte beleuchtet. Am Montag, dem 27. Januar 2025, um 19 Uhr, wird die Ausstellung „Das Leben war jetzt draußen, und ich war dort drinnen“ im Rathaus Nierstein eröffnet. Begleitend findet ein Vortrag von Renate Rosenau und Jörg Adrian statt. Rosenau, Mitglied der Arbeitsgruppe NS-Psychiatrie Alzey, und ihr Kollege vom Geschichtsverein Nierstein stellen im Vorfeld der Ausstellung die Ergebnisse ihrer Nachforschungen vor. Rosenau forscht seit Jahrzehnten zu den „Euthanasie“-Verbrechen, Adrian ist im Verein für die Erinnerungsarbeit zuständig. Zusammen beleuchten die Schicksale der Opfer aus Nierstein und Schwabsburg.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz Mainz“ und dokumentiert die systematische Ermordung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen während der NS-Zeit. Unter dem Deckmantel der „Euthanasie“ wurden mehr als 200.000 Menschen ermordet. Die Schau beleuchtet dabei sowohl die ideologischen Ursprünge der „Eugenik“ und „Rassenhygiene“ als auch die Mechanismen, mit denen die Nationalsozialisten diese Ideen in ihre Rassenpolitik aufnahmen und grausam umsetzten.

Monatsheft des Rassepolitischen Amtes der NSDAP 1937. Foto: Wikimedia gemeinfrei

Ein besonderes Augenmerk liegt auf den regionalen Aspekten, die Menschen aus Nierstein und Schwabsburg betreffen. Die Ausstellung umfasst 13 Schautafeln und bietet nicht nur einen Überblick über die allgemeinen Vorgänge, sondern auch Einblicke in individuelle Schicksale von Tätern und Opfern aus Rheinhessen. So wird das Vorgehen der Nationalsozialisten in dieser Region exemplarisch nachvollziehbar gemacht.

Das Gedenken in Nierstein hat eine lange Tradition. Bereits 55 Stolpersteine erinnern an NS-Verfolgte in der Stadt. Am 5. April 2025 werden erstmals Stolpersteine speziell für die Opfer der NS-Krankenmorde aus Nierstein und Schwabsburg verlegt.

Die Ausstellung ist bis zum 14. Februar 2025 während der Öffnungszeiten des Rathauses (Montag, Dienstag und Donnerstag 9–12 Uhr und 14–17.30 Uhr sowie Freitag 9–12 Uhr) frei zugänglich. Der Eintritt ist kostenfrei.

red