BODENHEIM Sie sind nicht gerade schön anzusehen: die ruinenhaften, stillgelegten Industrieanlagen des ehemaligen Kuemmerling-Areals in Bodenheim. Schon allein ihre Beseitigung wäre ein gewaltiger Gewinn für das Ortsbild. Nicht schön anzusehen ist aber auch der politische Streit um die zukünftige Gestaltung des Geländes, der schon seit Jahren schwelt und immer wieder von Neuem aufbricht.
Während die SPD-Mehrheit im Gemeinderat ein aus ihrer Sicht gut und sinnvoll aufgeteiltes Nutzungs-Mix plant, u.a. 15 zwei- und dreigeschossige Wohngebäude mit insgesamt 100 bis 120 Eigentumswohnungen, dazu 20 bezahlbare Wohnungen über dem neu zu errichteten Rewe-Getränkemarkt und den Bau des CUBE-Zwilling-Turms in direkter Nachbarschaft zum VITANUM-Turm, stellt die CDU-Fraktion die Entwürfe grundsätzlich in Frage und kritisiert die Pläne scharf. Sie sieht die Entwicklung als strukturell schädlich für die Gemeinde, befürchtet eine signifikante Zunahme des Verkehrs und eine Überlastung der vorhandenen Grundschul- und Kindergartenressourcen im Ort. Außerdem, so ein weiterer Vorwurf der CDU, werden die Pläne zugunsten des Investors und weit unter den Möglichkeiten der Gemeinde geführt. Und last but not least würde der soziale Wohnungsbau in der aktuellen Planung derart gestaltet, dass eine „Ghettoisierung“ drohe.
Diese letzten beiden Aspekte sehen übrigens auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ähnlich, die sich jetzt mit einem eigenen Positionspapier zu Wort melden. Darin heißt es unter anderem, dass der geplante soziale Wohnraum eher wie ein unattraktiver Lärmschutzriegel für das dahinterliegende teurere Wohnquartier wirke und die Gefahr einer zu starken Förderung von privaten Investoren im Raum steht. Kritisiert wird auch die Planung von Tiefgaragenplätzen, die ein nicht mehr zeitgemäßes Konzept der autogerechten Stadt symbolisieren und mit Kosten von ca. 25.000 Euro pro Stellplatz den Wohnraum unnötig verteuern. Hier plädieren BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein autoarmes Wohnquartier mit einer eigenen Quartiersgarage. Denn das bedeutet nach ihrer Aussage: weniger Flächenverbrauch, weniger Versiegelung, höhere Auslastung der vorhandenen ÖV-Infrastruktur und vor allem weniger motorisierter Individualverkehr. So kann der Eichweg auch weiterhin problemlos als Hauptstrecke für den Fuß- und Radverkehr zu den Einkaufsmärkten, dem Polder als Naherholungsgebiet, der Turnhalle und zum Gymnasium Nackenheim genutzt werden.
Mehr noch: Die Lage des Gebietes ist nach Meinung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bestens geeignet, um hier eine erste Mobilitätsstation mit Leih(lasten)rädern, E-Scootern, Car-Sharing, Bikesharing, abschließbaren Fahrradboxen mit Lademöglichkeiten und Regiomaten zu werden. Damit könnte Bodenheim eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten, die den sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen gerecht wird und die auch künftigen Generationen zugutekommt.
Schauen wir mal, wie es weitergeht.
Autor: Michael Türk