Start Gesellschaft Wie eine Herzkammer in Ober-Ingelheim ICV >>>Pulsierendes Vereinsleben vor und nach der...

Wie eine Herzkammer in Ober-Ingelheim ICV >>>Pulsierendes Vereinsleben vor und nach der Kampagne

Beim ICV- Sommerfest geht es auch um den Spaß und die Freude an der Bewegung zur Musik: genauso wie bei Zumba. Foto: Privat

OBER-INGELHEIM – Wenn Elke Hilf-Breyer sagt: „Bei uns gibt’s kein Ausruhen“, dann klingt das erst nach Pflichtprogramm eines Vereinsvorstands. Aber das täuscht. Spätestens beim Blick über das Gelände am Rande von Ober-Ingelheim begreift der Gast, dass beim Ingelheimer Carneval Verein (ICV) das Vereinsblut pulsiert. Der Rasen ist saftig, darauf stehen die weißen Pavillons, sie warten auf das baldige Sommerfest. Abseits der Fastnacht ruht das Ehrenamt beim ICV nicht. Die Vorsitzende macht’s vor: „Selbst im Urlaub habe ich den Laptop dabei“, räumt die 66-Jährige ein.

Apropos Sommerfest: Es startet am 2. August um 15 Uhr, endet am 3. August gegen Abend und ist mehr als ein beliebiger Termin im Kalender. Es ist einer von vielen sozialen Höhepunkten im Vereinsleben, die in den Stadtteil ausstrahlen. Eintritt wird nicht verlangt, beim Flohmarkt gibt es keine Standgebühr. „Wir gehen nur mit der Spendendose herum“, sagt Hilf-Breyer. Der Samstag als Familientag hält Events für Groß und Klein wie Cornhole-Turnier, Riesen-Seifenblasen oder Zumba-Tanzen bereit.

Spürbar wird das Engagement des ICV mindestens einmal im Monat – beim regelmäßigen Frühschoppen. „80 bis 100 Gäste – und das seit fast 30 Jahren, mit kaum einer ausgelassenen Runde“, bilanziert Hilf-Breyer. „Unsere älteren Mitglieder freuen sich eine Woche vorher auf den Eintopf – und die Jüngeren auf die Grillwürstchen“, ergänzt Hoffmann. Ein Essen kostet selten mehr als zehn Euro, ein „Schoppe“ nur drei. Dass niemand ausgeschlossen wird, gehört zum Prinzip. „Wer nicht selbst kommen kann, wird bei Bedarf abgeholt.“ Die Absprachen sind möglich und unkompliziert.

Der Überschuss dient der Finanzierung von Kostümen, Bands und Hallenmiete – nicht dem eigenen Vorteil. „Wir legen pro Kampagne 10.000 bis 15.000 Euro drauf“, sagt Hilf-Breyer. „Das muss irgendwo erwirtschaftet werden.“

Fastnacht bleibt dabei Triebfeder: Elferrat, Männerballett, Wagenbau – vieles findet Platz. Doch der ICV beschränkt sich längst nicht auf das närrische Treiben. Halloweenparty mit Liveband, Vatertagsgrillen, Unterstützung beim Ingelheimer Halben und Arbeitseinsätze rund ums Vereinsheim strukturieren das Jahr.

Was wie ein geregelter Vereinsbetrieb klingt, gleicht bei genauer Betrachtung einem belebten Sozialraum. „Für viele Ältere ist das hier Gemeinschaft pur – günstiges Essen, nette Gespräche, ein halber Tag Glück“, sagt Hoffmann. Der ICV schafft den Wandel und bleibt eine Konstante im Alltag – verlässlich, offen, nahbar.

Die Mitglieder – derzeit rund 340 – engagieren sich in unterschiedlichen Rollen. Der Nachwuchs kommt über das Kinder- oder Nachwuchsballett, über Familien, Freundeskreise oder die „ICV-Freunde-und-Helfer-App“. Der Verein gibt seiner Gemeinschaft nicht nur Feste, sondern auch Aufgaben und eine klare Struktur. „So wächst man hinein“, beschreibt Hoffmann die stille Nachwuchsarbeit.

Dabei zeigt sich der Verein offen für Neues. „Als wir mit KI einen Ordensentwurf erstellt haben, war ich plötzlich begeistert“, sagt Hilf-Breyer, die früher wenig Interesse an digitaler Technik hatte. Heute wird digital gearbeitet – Protokolle, Pläne, Backups, alles auf mehreren Festplatten und Servern gesichert. „Wir sind traditionell – aber nicht museal“, sagt Hoffmann.

Hilf-Breyer formuliert es anders: „Wir feiern zwar Fastnacht, aber in Wirklichkeit feiern wir das Miteinander.“ Und vielleicht ist das der Grund, warum dieser Verein über Jahrzehnte hinweg so viele Menschen zusammenführt – und sich dabei immer wieder neu erfindet.

 

Gregor Starosczyk-Gerlach