BODENHEIM – Wenn man zurzeit die HELI-Halle hinter dem REWE-Parkplatz betritt, findet man sie mit Kartons, Kisten, Boxen und Palletten vollgefüllt. Bis zu 50 Personen flitzen hin und her. Ehrenamtliche Arbeit ist angesagt für die bedrängte und Not leidende Bevölkerung der Ukraine. Der Vorstandsvorsitzende von „Nicht reden. Machen!“ Sven Hieronymus nahm sich trotzdem die Zeit zu einem Gespräch mit unserer Zeitung.
Herr Hieronymus, warum sind Sie hier?
Hätten Sie mich das vor drei Monaten gefragt, hätte ich Ihnen keine Antwort geben können. Denn da gab es unseren Verein noch nicht.
Was war ausschlaggebend für die Gründung von „Nicht reden. Machen!“?
Kurz nach Kriegsausbruch habe ich gemeinsam mit einem Freund Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren und auf dem Rückweg drei Geflüchtete nach Mainz gebracht. Das hat bei mir einen tiefsitzenden Eindruck hinterlassen und ich war der Meinung: „Wir müssen etwas tun!“ Und damit haben wir sofort begonnen.
Wer sind „wir“, die etwas getan haben und tun?
Das ist meine Person als 1. Vorsitzender, die 2. Vorsitzende Heidi Veit-Gönner, Birgit Sieben und Ina Kühl, (1. und 2. Kassiererin), Michaela Lüft (1. Schriftführerin) sowie Jonas Hobel und Thomas Kasper als Beisitzer. Dazu eine große Anzahl von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern. Das sind zahlreiche private Spenderinnen und Spender sowie lokale und überregionale Sponsoren sowie Großspender. Und mittlerweile über 78 Vereinsmitglieder.
Normalerweise dauert es Monate, bis eine Gruppe von Gleichgesinnten als Verein zugelassen wird …
In der Tat! Wir haben das in Rekordzeit geschafft. Bereits am 3. April 2022 [Kriegsausbruch: 24. Februar 2022, Anm. d. Redaktion] wurden wir in das Vereinsregister eingetragen und erhielten als e. V. die Gemeinnützigkeit.
Und wenn der Ukrainekrieg vorüber und der Wiederaufbau geleistet ist, löst sich der Verein wieder auf?
Nein! Wir haben unsere Satzung so breit aufgestellt, dass wir über diesen grausamen Krieg hinaus anderenorts mit Hilfe einspringen können. Irgendwo brennt es immer. Daher haben wir die Vereinsstrukturen so geschaffen, dass wir überall helfen können. Da, wo Politik und administrative Hilfe nicht mehr greifen, steigen wir ein.
Kommen wir zum Alltag von „Nicht reden. Machen“! Erzählen Sie unseren LeserInnen etwas darüber.
Wir erhalten von unseren ukrainischen Kontakten Bedarfslisten. Diese können private und Großspender auf unserer Homepage einsehen. Es handelt sich vor allem um medizinische Güter, Hygieneartikel, Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs. Die können zwei Mal in der Woche bei uns an der HELI-Halle abgegeben werden.
Und dann …?
… werden alle Eingänge erfasst, sortiert, in Kisten verpackt, palettiert und in Lkws verladen. Die Lkws werden von einem Logistikpartner kostenfrei an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, wo Helfer bereitstehen und die Hilfsgüter mit privaten Pkws und Kleintransportern gezielt an die bedürftigen Stellen bringen, oft unter Lebensgefahr.
Und der Verein kann sicher sein, dass die Güter tatsächlich dort ankommen?
Ja, absolut sicher! Die Lkws werden vom Verein via GPS bis zum Bestimmungsort getrackt. Dort werden Fotos gemacht und wir erhalten dankbare Rückmeldungen von den Endadressen. Darüber hinaus war Johannes Hobel vom 7.- 9. Mai 2022 Vorort in Polen, um sich ein Bild über die Lieferketten zu machen.
Können Sie uns ein paar Zahlen nennen?
Unser Pool an Helferinnen und Helfern ist auf fast 200 Personen angewachsen, darunter auch ukrainische Staatsbürgerinnen. Wir haben mittlerweile über 600 Palletten von A nach B transportiert. Und natürlich unsere 78 Mitglieder. Viele Menschen wollen sich engagieren, wussten aber bisher nicht, wo. Durch unsere Werbung haben sie mit ihren unterschiedlichsten Fähigkeiten ihren Weg zu uns gefunden, was große Synergieeffekte mit sich bringt.
Ist die Spendenbereitschaft über die Monate konstant geblieben?
Leider nein. Die privaten Sachspenden sind sehr zurückgegangen. Der Verein kompensiert das durch Zukäufe aus eingehenden Geldspenden. Außerdem kaufen wir bei polnischen Partnern Medizin und Lebensmittel ein. In Polen sind zurzeit die Mehrwertsteuern ausgesetzt und Produkte dadurch erheblich günstiger.
Mit unserer aktuellen Initiative „Bring‘ eins, mach zwei daraus“ versuchen wir private Spender zu gewinnen. Diese bringen zehn Dosen an die Halle und der Verein kauft weitere zehn hinzu. Es gehen also 20 Dosen in den Osten Europas.
Zum Schluss möchte ich meinen Dank an Thomas Wirth aussprechen, ohne dessen kostenlose Bereitstellung der HELI-Halle eine solch große logostische Herausforderung nicht möglich wäre.
Herr Hieronymus, Journal LOKAL bedankt sich herzlich für dieses Gespräch und wünscht „Nicht reden. Machen!“ das Beste zum Wohl unserer europäischen Nachbarn.
Spenden können jeden Samstag von 11.00 bis 17.00 Uhr an der HELI abgegeben werden.
Weitere Infos unter: www.nichtredenmachen.de
Das Gespräch führte Ulrich Nilles