NIERSTEIN/OPPENHEIM – Die Tochter, die ihren Vater verlor, weil sich dieser im Suff totgefahren hatte: Der Stoff, aus dem das Theaterstück „Alkohölle“ gemacht war und den sich die Schüler aus Nierstein vor Kurzem anschauten, hatte es in sich. Fiktiv genug, um sie mit den Aussagen nicht zu überrollen, doch aus dem Alltag bekannt genug, um den Jugendlichen der Klasse 9 e der Carl-Zuckmayer Realschule plus aus Nierstein den sofortigen Einstieg zu garantieren.
Dazu war es auch verdammt gut gespielt und mit Schauspielern besetzt, die sich wie beispielsweise Wolfgang Pätsch als „trockener Alkoholiker seit 1996“ beschreiben. Die Tochter arbeitet in einer Agentur, die um keinen Preis für Alkohol werben will. Warum? Die schlimme Wahrheit erfährt Lena (Marie Illies) erst nach und nach. Sie selbst und ihre Clique trinken viel. Seit der Premiere 2005 wurde das Stück „Alkohölle“ mehr als 1.200 aufgeführt.
Das mobile Präventionstheater „Theater-Spiel“ kam aus Witten in Nordrhein-Westfalen nach Oppenheim, erläuterte Diplom-Sozialpädagoge Niko Blug. Organisiert wurde die Präventionsaktion im Martin Luther Haus von der Regionalen Diakonie Rheinhessen, dem Landesverband der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe Rheinland-Pfalz sowie dem Förderverein gegen Suchtgefahren.
Spontan befragt, antworteten die Schülerinnen und Schüler, dass sie sich durchaus Gedanken machen, was Alkohol sei, wie er wirke und was er anrichten könne. „Viele denken, wenn man zum Beispiel bei Liebeskummer trinkt, dass es helfen würde, aber es bringt nichts“, so eines der Statements. Alkohol und Drogen und ihre Folgen seien natürlich Themen, so die Jugendlichen: ab und zu auch aus Erfahrungsberichten der Freunde.
Dass jemand nach einer Party mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus landete, war den Kids ebenso wenig fremd. Gekommen seien sie zur Vorstellung ohne Zwang, beteuerte sie. Ja, auch mit einer Portion Neugier. Mit der Klassenlehrerin Nathalie Wegmann und Präventionsbeauftragten der Schule Julia Schmitt hatten sie sich im Vorfeld auf die Präventionsaktion vorbereitet.
Das Stück „Alkohölle“ eröffnete ihnen eine authentische Perspektive auf die schleichenden Gefahren von Alkohol und anderen Substanzen. Mit authentischen Dialogen und emotionalen Szenen versetzten die Schauspieler die Schüler in die Welt der Betroffenen. Zumal sie auf deren Wunsch hin auch einige Motive hinein improvisierten. Die interaktive Gestaltung ermöglichte es den Jugendlichen, Szenarien mitzugestalten und Lösungswege zu entwickeln. Die Aufführung endete auf deren Wunsch mit einem versöhnlichen „Happy End“, das Perspektiven für einen Weg aus der Sucht aufzeigte.
„Es waren 60 Minuten geballte Emotion aus dem Leben einer Familie, die am Alkohol fast gescheitert wäre“, so Blug. Grandios sei auch das Nachgespräch mit super motivierten und extrem gut vorbereiteten Jugendlichen. „Jung und Alt müssen mehr reden, um sich zu verstehen“, fand der Sozialpädagoge. „Schade, dass nicht mehr Gäste den Weg zu uns gefunden haben. Das Format wäre eine gute Gelegenheit gewesen, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen, anstatt übereinander zu sprechen.“ Dank der Spenden sollen auch künftig Dialogräume wie dieser geschaffen werden.