Mit der Kraft des Wasserstoffs über das Wasser schweben – bis vor wenigen Jahren klang das nach einem Zukunftsmärchen. Nun wird es am Vierwaldstättersee Realität. Gemeinsam mit Partnern realisiert die Axpo dort ein wegweisendes Projekt zur Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff. Besonders spannend ist die Kombination aus Produktion und regionaler Vermarktung. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das wegweisend für eine ganze Branche werden könnte.
Das erste Wasserstoff-Passagierschiff auf dem Vierwaldstättersee
Wasserstoff und Wasser gehören zusammen, jedenfalls was den Namen anbelangt. Das hat einen chemischen Hintergrund: Wasser setzt sich aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff zusammen. Das Besondere ist, dass die Reaktion dieser beiden Stoffe viel Energie freisetzt. Heraus kommt das bekannte und allgegenwärtige Wasser. Diesen Umstand wird die Wasserstoff-Technologie an Bord der MS Saphir, ab Herbst 2025 voraussichtlich das erste Wasserstoff-Passagierschiff auf dem Vierwaldstättersee, nutzen. In Brennstoffzellen läuft dort die Reaktion zwischen Wasserstoff und Sauerstoff kontrolliert ab, wobei in einem elektrochemischen Prozess Strom entsteht, und zwar ganz ohne Verbrennung im klassischen Sinn. Der Strom wiederum treibt die mächtigen Schiffsmotoren an und als einzige Emission entsteht Wasser.
Es liegt auf der Hand, warum diese Technologie zu den Schlüsselfaktoren für eine klimafreundliche Zukunft gerechnet wird. Antriebe von Schiffen und Lkw lassen sich kaum aus Batterien speisen. Zu hoch ist der Bedarf, zu kompliziert die Aufladung. Wasserstoff bietet eine intelligente Alternative, denn er ist unkompliziert zu handeln – er kann zum Beispiel einfach getankt werden. Bisher sind reale Projekte allerdings selten zu finden. Die MS Saphir wird deshalb wertvolle Pionierarbeit leisten.
Große Allianz für eine innovative Wasserstoff-Wirtschaft
Dass gerade die Schweiz zum Innovationsmotor für grüne Wasserstofftechnologie wird, ist kein Zufall. Zum einen gibt es hervorragende infrastrukturelle und geographische Voraussetzungen, um das Gas klimafreundlich zu produzieren. Zum anderen haben sich gleich mehrere führende Unternehmen aus der Industrie, Versorgung und Energiewirtschaft zusammengetan, um mit vereinter Expertise schnelle Fortschritte zu erzielen. Zur Allianz, die das Wasserstoff-Passagierschiff am Vierwaldstättersee gemeinsam planen und umsetzen wird, gehören die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) AG, AVIA Schätzle, Axpo und EWA-energieUri. Das Projekt wird zudem durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) unterstützt. Die technologische Umsetzung, konkret die Umrüstung des Schiffs, wird von der Shiptec AG ausgeführt.
Die Partner bringen jeweils unterschiedliches Know-how in die gemeinsame Unternehmung ein. So wird die Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees federführend den Umbau des Passagierschiffs begleiten und später den Betrieb übernehmen. Die EWA-energieUri und die AVIA Schätzle sind die bisherigen Teilhaber von H2Uri, in dessen Rahmen das Schiffsprojekt entsteht. Neben der SGV wird außerdem die Axpo einsteigen, was zur Projektsicherheit ebenso beiträgt wie zur Optimierung der Absatzstrategien für regional produzierten Wasserstoff. Werner Jauch, Verwaltungsratspräsident der H2Uri AG und Vorsitzender der Geschäftsleitung von EWA-energieUri, erklärte dazu: „Mit der Axpo und der SGV haben wir zwei weitere Unternehmen mit wertvollem Know-how und spannenden Absatzkanälen neu im Aktionariat.“
Wasserstoffproduktion und -nutzung in der Region vereint
Das Besondere beim Projekt H2Uri ist, dass grüner Wasserstoff nicht nur aktiv genutzt wird, sondern auch lokal produziert wird. Zu diesem Zweck entsteht eine Anlage in Bürglen im Kanton Uri, die an das dortige Kraftwerk angegliedert ist. Die Betreiber planen mit einer Leistung von 2 MW und einer Produktionsmenge von 260 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr.
Was heißt grüner Wasserstoff? In Hinblick auf die Umweltfreundlichkeit der Wasserstofftechnologie ist es entscheidend, wie der Wasserstoff gewonnen wird. Stand heute wird der größte Teil durch Reforming von Erdgas produziert. Neben Wasserstoff entsteht dabei Kohlenstoffdioxid, das als Treibhausgas für den Klimawandel mitverantwortlich ist. Das bedeutet, dass die Emissionen zwar nicht beim Betrieb der Brennstoffzelle anfallen, aber im Rahmen der Bereitstellung des Kraftstoffs.
Grüner Wasserstoff wird hingegen ohne CO2-Emissionen produziert. Der Rohstoff dafür ist einfaches Wasser, das in einem Elektrolyseverfahren in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff gespalten wird. Die dafür notwendige Energie stammt aus Strom. Wird dieser aus erneuerbaren Quellen gewonnen, ist die Wasserstoffproduktion CO2-frei. Genau nach diesem Prinzip ist die Wasserstoffproduktion im Kanton Uri geplant.
Ein großes Potential der Schweiz im Bereich der grünen Wasserstoffproduktion ist die Wasserkraft. Entsprechende Pilotprojekte treibt die Axpo auch an anderen Standorten voran. Eine der bisher größten Produktionsanlagen befindet sich am Kraftwerk Reichenau, an dem das Unternehmen eine Mehrheitsbeteiligung hält. Die Anlage hat eine Leistung von 2,5 MW und kann bis zu 350 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr bereitstellen. Das entspricht einem Äquivalent von 1,5 Millionen Litern Diesel.
Noch größer ist die geplante Produktionsmenge am Standort Kraftwerk Wildegg-Brugg. Die Axpo, die auch hier an der Planung, der Umsetzung und dem Betrieb beteiligt sein wird, bringt darüber hinaus ihre Expertise in der Vermarktung ein. Der Wasserstoff soll, so die Planungen der Axpo, von Voegtlin-Meyer, der BB Energie AG (IBB) und der Stadt Brugg, über eine Pipeline direkt zu regionalen Tankstellen geleitet werden. So steht er privaten Nutzern zur Verfügung und soll zudem die Busse der PostAuto AG betanken. Die Menge wird nach Prognosen ausreichen, um pro Jahr 300 Lkw oder Busse völlig emissionsfrei zu fahren.
Regionale Vermarktung bringt mehrfachen Nutzen
Wasserstoff regional zu nutzen, ist aus vielen Gründen vorteilhaft. Schon allein der infrastrukturelle Aufwand für eine Versorgung nahegelegener Tankstellen und Abnehmer ist deutlich geringer, als das Gas quer durch Europa zu transportieren. Dieser Effekt ist umso größer, da die Logistik selbst häufig energieintensiv ist. Hinzu kommt, dass Wasserstoff – bedingt durch seine physikalischen Eigenschaften – nicht so gut zu speichern ist wie etwa Erdgas. Er ist nämlich deutlich leichter und die kleinen Moleküle gelten als flüchtig. Umso sinnvoller ist es, den grünen Wasserstoff dort zu nutzen, wo er erzeugt wird. Minimale Verluste führen zu maximaler Effizienz und höchstem umwelttechnischem sowie gesellschaftlichem Nutzen.
Um das zu ermöglichen, ist die Zusammenarbeit zwischen innovativen Energieversorgern wie der Axpo, die Technologie und Know-how mitbringen, sowie regional verankerten Unternehmen sehr wertvoll. Das bestätigt auch Christoph Brand, CEO der Axpo: „Auch wenn Wasserstoff noch eine junge Technologie ist, zeigt das Projekt, dass es auch in der Schweiz ein Potenzial gibt, um grünen Wasserstoff gezielt einzusetzen. Dank unserer lokalen Verankerung und unserem Know-how im Bereich der erneuerbaren Energien können wir hier Pionierarbeit leisten.“
Wasserstoffprojekte auch in Frankreich, Island und weiteren Ländern
Die Versorgung mit umweltfreundlichen Energieträgern ist eine Herausforderung, die weltweit hohe Priorität hat. Europa präsentiert sich dabei als Kontinent mit großer Innovationskraft – auch bedingt durch steigende Energiepreise und eine energieintensive Industrielandschaft. Entsprechend wichtig sind Projekte wie die am Vierwaldstättersee. Parallel dazu investiert die Axpo auch im europäischen Ausland in zukunftsträchtige Vorhaben. Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff entstehen zum Beispiel in Italien, Frankreich und Island. Im Valle Peligna in den Abruzzen geht es zum Beispiel um eine Kapazität von bis zu 12 Tonnen Wasserstoff pro Tag. Hier stammt die Energie für die Elektrolyse nicht aus Wasserkraft, sondern nutzt eine Ressource, die am Standort mit hoher Effizienz umgesetzt werden kann: Sonnenlicht. Großtechnische Solaranlagen liefern dafür Leistungen von bis zu 45 MW.
Ebenfalls bemerkenswert ist, dass bei der Axpo eine eigene Abteilung für grünen Wasserstoff geschaffen wurde. Das dokumentiert, welchen hohen Stellenwert diese grüne Technologie beim Schweizer Energieversorger genießt. Guy Bühler, Leiter des Wasserstoff-Teams bei Axpo, äußerte sich zum jüngsten Projekt: „Die nun kommunizierte Zusammenarbeit mit AVIA Schätzle, EWA-energieUri und der SGV verdeutlichen unser Ziel, auch in der Schweiz eine aktive Rolle beim Aufbau der Wasserstoffwirtschaft einzunehmen.“
Die Rollen der Axpo: Vermarktung, Expertise, Umsetzung
Die Energiewende ist ein Mammutprojekt, das viele Kompetenzen erfordert. Zahlreiche davon vereint die Axpo unter einem Dach. So tritt sie bei Projekten wie den genannten in unterschiedlichen Rollen auf. Zum einen ist sie der größte Produzent von grünem Strom in der Schweiz, kann also Strom und Anlagen für die Herstellung von grünem Wasserstoff bereitstellen. Ebenso ist die Axpo aber auch ein international tätiger Händler im Bereich der Energiewirtschaft. So tritt sie zum Beispiel in Schweden und in Polen auch als Partner für Power Purchase Agreements auf. Dabei handelt es sich um langfristige Abnahmeverträge, die Nutzer und Produzenten von nachhaltig erzeugtem Strom zusammenbringen und auf diese Weise Erneuerbare Energien fördern. Nicht zuletzt verfügt das Schweizer Unternehmen über eine ebenso tiefe wie breite Expertise in der Produktion, Vermarktung und Nutzung von Strom und grünem Wasserstoff. Auch dadurch macht sich die Axpo als Partner unverzichtbar.
red