INGELHEIM – Leere Gänge, leere Kabinen, leere Stühle. Das Impfzentrum des Landkreises Mainz-Bingen ist offiziell geschlossen. Wo noch vor einigen Tagen Betrieb war und sich noch einige Bürgerinnen und Bürger ihren Piks abholten, herrscht nun Stille.
Und das große Aufräumen: Möbel werden abgebaut, Fotos dokumentiert, Arbeitsprozesse niedergeschrieben. Zwar bleibt die Einrichtung bis voraussichtlich Ende April 2022 im Stand-by-Modus erhalten, doch vorerst hat das Impfzentrum in Ingelheim ausgedient.
Noch kann es keiner der Belegschaft so richtig realisieren, immerhin liegen ganze 197 Tage voller Herausforderungen, voller Einsatz, voller Emotionen zurück. „Auftrag erfüllt“, sagt der Impfkoordinator Mathias Hirsch ein wenig wehmütig. Er ist sichtlich stolz auf die Leistung seines Teams, ist dankbar für den Zusammenhalt, für das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen Mitarbeiters – aber auch für die Unterstützung der Landrätin und den Rückhalt der gesamten Verwaltungsspitze.

Martin Becker, stellvertretender Koordinator, berichtet von der „besonderen Atmosphäre“, die unter den Kolleginnen und Kollegen geherrscht hat. Jeder habe sich mit seiner Aufgabe im Impfzentrum identifiziert – jeder sei dazu bereit gewesen, über sich hinaus zu wachsen. Sie alle seien dankbar, den Bürgerinnen und Bürgern im Landkreis diesen wichtigen Dienst erwiesen zu haben.
„Wir hatten uns gut auf den Impfstart vorbereitet“, lässt Mathias Hirsch noch einmal die Aufbauphase im Dezember 2020 und die vergangenen Monate Revue passieren. Die Entscheidung für ein passendes Gebäude fiel schnell auf die ehemalige Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Ingelheim – der Standort war damit gefunden.
Der Bautrupp, die Organisations- sowie die EDV-Abteilung der Kreisverwaltung haben es hier geschafft, das Gebäude innerhalb kürzester Zeit zu einem Impfzentrum umzubauen – „eine riesige Leistung“, lobt Hirsch. Die Räume wurden hergerichtet, Personal wurde rekrutiert, das Impfen konnte losgehen.
Dennoch mussten sich in der Anfangsphase auch alle erst einmal mit den Abläufen vertraut machen – die Impfzentrumsleiter eingeschlossen. „Auch für uns war das Ganze Neuland. Es gibt nun mal keine Ausbildung zum Impfzentrumskoordinator. Vieles wurde kurzfristig umstrukturiert, Vorgaben überworfen und auf Unvorhergesehenes reagiert“, erklären Mathias Hirsch und Martin Becker.
Das habe auch innerhalb des zu Hochzeiten rund 80-köpfigen Teams manchmal zu Reibereien geführt. Ein Team, das unterschiedlicher nicht sein könnte: ein Querschnitt der Gesellschaft von Maurer bis Diplom-Ingenieur, Studentin bis Rentnerin. Doch alle haben sich immer wieder zusammengerauft, die Gemeinschaft wurde nach und nach stärker, Freundschaften sind entstanden. „Eine solche Aufgabe verbindet“, bringen es die beiden auf den Punkt.
Zu diesem besonderen Miteinander im Zentrum haben auch die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen erheblichen Teil beigetragen. Gerade zu Beginn haben sie dabei geholfen, die Abläufe zu optimieren, sie übernahmen Serviceaufgaben und vor allem betreuten sie viele ältere Bürgerinnen und Bürger. „Das ist schon ein rührseliges Bild, wenn ein riesiger Soldat eine kleine, alte Dame über den Flur begleitet“, sagt Hirsch. Klar ist: Ohne die Unterstützung der Bundeswehr wäre vieles nicht möglich gewesen.
Die erste Impfstraße lief an, die zweite folgte bald darauf. Ab April dieses Jahres lief der Betrieb dann auf Hochtouren. Am Ende waren es rund 125.000 Impfdosen, die in Ingelheim verimpft wurden. Von den Impflingen habe es überwiegend positive Rückmeldungen zur Organisation und der Betreuung vor Ort gegeben. „Das hat Kraft gegeben in Tagen, in denen man nicht mehr wusste, wo einem der Kopf steht“, so Martin Becker. Gerade der erste Arbeitstag sei für ihn prägend gewesen, denn er konnte die Erleichterung und Dankbarkeit in den Augen vieler älterer Menschen sehen, die wegen der Priorisierung zuerst geimpft werden konnten.
Das sieht Impfzentrumsleiter Mathias Hirsch ähnlich: „Für mich war das eine sehr intensive und bewegende Zeit“. Denn als die ältesten Bürgerinnen und Bürger im Februar und März geimpft waren, wurde eines deutlich: Es traten keine neuen Todesfälle mehr auf. „Das war ein Zeichen: Was wir tun, zeigt Wirkung.“