
HECHTSHEIM – Für elf Interessierte war leider keine Zusage für den Spaziergang durch die Weinberge des Hechtsheimer Kirchenstücks mehr möglich. Mit 24 Weinfreunden aus Hechtsheim, Mainz und Rüsselsheim war die Veranstaltung des Vereins Hechtsheimer Ortsgeschichte mit dem Kultur- und Weinbotschafter Herbert Egner bereits um vier Plätze überbucht. Mit einem Winzersekt des Mommenheimer Weinguts Werther-Windisch begrüßte Egner die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Blick auf das Wohngebiet Frankenhöhe, das vor seiner Bebauung mit Rebstöcken bestückt worden war. Das Besondere an diesem Sekt: ein Brut Nature aus klassischer Flaschengärung aus 100 Prozent Silvaner, handgerüttelt und ohne zugesetzte Dosage, also nur mit der natürlichen Restsüße gereift. Die Trauben im Harxheimer Lieth wachsen auf denen in Rheinhessen typischen Böden, die, so Egner, auch im Hechtsheimer Kirchenstück zu finden sind, nämlich einer Löss-Lehm–Schichtung mit Kalkmergel.
Anhand zweier Profile erklärte der Kultur- und Weinbotschafter den Bodenaufbau: „Der Löss bildet die oberste Schicht. Er liefert den Reben die notwendigen Nährstoffe.“ Er habe den prosaischen Beinamen „Staub der Eiszeit“, denn er sei im damaligen Trockenklima durch Frost und Gletscherbewegungen aus den Schotterterrassen der großen Flüsse gemahlen worden. Der Lehm im Unterboden sorge dafür, dass das Wasser im Oberboden bleibe und nicht schnell versickere. Kalkmergel gebe dann durch seine Mineralität den Weinen, insbesondere dem Riesling, eine kraftvolle und körperreiche Note.
Selbstverständlich wurden die theoretischen Überlegungen durch die erste Weinprobe untermauert: ein Riesling aus dem Hechtsheimer Weingut Heinz Lemb, ausgebaut von Jungwinzer Martin Becker, bestach durch seine ausgewogene Mischung aus Alkoholgehalt, Mineralität, Weinsäure und Restsüße. Direkt neben den Lembschen Weinbergen im oberen Teil des Kirchenstücks an der Straße „Hinter dem Rech“ stehen die Rebzeilen des Weinguts der Stadt Mainz, auf denen Auxerrois-Trauben reifen, eine eigentlich aus Frankreich stammende Rebsorte. Diese zeichnen sich vor allem durch eine milde Säure aus, wie Hans Willi Fleischer, Seniorchef des Weinguts, erläuterte. Fleischer war mittlerweile zum Spaziergang dazugestoßen und ergänzte die Egnerschen Ausführungen, insbesondere zum Weinfest im Kirchenstück, als dessen Initiator Fleischer gilt. Am Anfang sei die Skepsis bei den Hechtsheimer Winzern groß gewesen, ob eine solche Veranstaltung mitten in den Weinbergen ohne Musik und musikalische Auftritte großen Zuspruch finde. „Deswegen war im ersten Jahr die Zahl der teilnehmenden Betriebe überschaubar“, erinnerte sich Fleischer. Aber nach dem großen Erfolg bei der Premiere hatten im zweiten Jahr dann alle Winzer ihre Stände aufgebaut und „dabei ist es bis heute geblieben“.
Passend dazu präsentierte Herbert Egner eine Besonderheit aus dem Hechtsheimer Weingut Karthäuserhof „Die Zwei“: einen Rotling, ein Cuvée aus einem weißen Riesling und einem roten Cabernet Sauvignon. Der Karthäuserhof war bis Ende des 18. Jahrhunderts eines von vielen kirchlichen Gütern in Hechtsheim, die Landwirtschaft und Weinbau vor allem durch Pächter betrieben. Bis zum Frieden von Campo Forio, als das linke Rheinufer an Frankreich fiel und damit die Feudalherrschaft unterging, waren nahezu alle Äcker und Rebflächen im Besitz des Adels oder der Kirche, wie Egner anhand einer Karte mit den Besitzverhältnissen im Jahr 1787 zeigte. Mit einem Grauburgunder aus dem Nieder-Olmer Weingut „Eulenmühle“, dessen Vollmundigkeit laut Egner vor allem auf sein Wachsen auf den bereits erwähnten für Rheinhessen typischen Löss-Lehm-Boden zurückzuführen ist, fand der Spaziergang an der historischen Weinkelter mitten im Kirchenstück seinen passenden Abschluss.
red