INGELHEIM – Ein Tisch, eine Lampe, abgedunkelter Innenraum im „werk:stück“, dem Verkaufsladen der Zoar-Werkstätten in Ingelheim. Der Lichtstrahl fällt auf die Hände, die ein Manuskript halten. Daraus trägt Andreas Hufschmidt seine Geschichten vor. Es herrscht eine angenehme Ruhe. Das Publikum – knapp zwei Dutzend Gäste – zum größten Teil Frauen, lauschen den Zeilen, die nur zum Teil autobiografische Züge tragen. Beispielsweise in der Person einer Heimatvertriebenen Nachbarin, Frau Nietzsche. In der Geschichte geht es um ein Feuer, der die Bewohner zum Auszug zwingt, wie das Schicksal, das die Frau einstmals zur Flucht aus Schlesien gezwungen hat.
Die Zoar-Werkstätten kümmern sich seit einiger Zeit verstärkt um den Kontakt zu Öffentlichkeit. Das geschieht durch Ausstellungen oder eben durch Lesungen, wie die, bei der gerade ein pensionierter Mediziner, ein Neurologe, der spät zum Schreiben gekommen ist, seine Kurzgeschichten vorträgt. „Eigentlich ist meine Frau daran schuld“, schmunzelt Hufschmidt. Sie habe ihm eine Anzeige der Volkshochschule gezeigt, die für die Teilnahme an einer Schreibwerkstatt warb. „Wäre das nicht etwas für dich?“, soll sie gefragt haben.
Ja, das war es. Die Ergebnisse hat Hufschmidt jetzt in einem Buch veröffentlicht. „Westwärts und andere Richtungen“ heißt es. Der Titel sei nicht nur ein Stichwort aus der Schreibwerkstatt gewesen, sondern reiche, so meint er sich zu erinnern, sagt Hufschmidt, in die griechische Mythologie zurück, wo er ein Verweis auf das Jenseits gewesen sei. Das hätte ihm der Vater erzählt. „Ich habe das nicht überprüft, ich habe meinem Vater vieles geglaubt.“
Ein achtjähriges Mädchen, Elena, kommt darin vor, auch Explosionen und eine zerstörte Brücke, die das Weiterkommen verhindert. „Wir finden einen Weg“, Protagonist Jan. Ein Kahn und ein Fährmann tauchen auf. „Können Sie uns übersetzen?“, fragt Jan, der das Mädchen retten will. „Können Sie bezahlen“, fragte der Fährmann. Noch weitere Erzählungen trägt der Autor vor. Eine davon verdankt sich einem ärztlichen Kollegen, der aus Syrien stammte und als ein streng gläubiger Muslim sich Gedanken über die europäischen Sitten machte.
Das Publikum lauscht gespannt, in den Pausen lockert sich spürbar die Spannung. Es folgen Fragen. Die Organisatorin, Ina Lucia Salajean, kümmert sich um eine entspannte Atmosphäre. Wie in einem Wohnzimmer solle sich jeder Gast fühlen, sagt sie. „Wir geht es Euch?“ -„Wir genießen“, lautet eine Antwort. An einem Tisch, der reichlich gedeckt mit Knabberzeug und kleinen Leckereien ist, traut sich noch niemand. Das wird im Anschluss an den Vortrag passieren.
Während das Publikum zuhört, wandern die Blicke durch den Raum. Auf Regalen schlummern Gegenstände, die Menschen in den Werkstätten der Zoar in Heidesheim hergestellt haben. Aus Holz oder anderen Materialien. Sachen, die sich blendend als Geschenke oder Dekorationen eignen. Vorbeischauen in dem Verkaufsladen kann jeder unter der Woche zu den Öffnungszeiten. Die Produzenten direkt bei der Arbeit antreffen und mit ihnen auf eine ungezwungene Weise ins Gespräch kommen? Das geht auch außerhalb der Lesungen oder Ausstellungen.