
INGELHEIM – Der Historische Verein Ingelheim (HVI) präsentierte kürzlich das wiederentdeckte Werk von Sebastian Münster, das aus dem Jahr 1533 stammt. Das Manuskript der so genannten „Practick“, das sich mit astronomischen und astrologischen Themen befasst, wurde von Rainer Letzner, Vorstandsmitglied des Vereins, in Zusammenarbeit mit polnischen Wissenschaftlern aus Lodz und Lublin in einem polnischen Universitätsarchiv aufgefunden.
Für die Rheinhessen war das eine Gelegenheit, der Stadtgeschichte weitere Farbtupfen aus dem Leben und Wirken des berühmten Sohnes der Stadt hinzuzufügen. Nun arbeitet Band 63 der vom HVI herausgegebenen Beträge zur Ingelheimer Geschichte Münsters ,Practick‘ auf.
Das einzige Original sei auf einem Irrweg von der Preußischen Staatlichen Bibliothek in Berlin, wo es als „Kriegsverlust“ dokumentiert worden war, an die Universität in Lublin gelangt, berichtet Letzner.
Eine Dauerleihgabe des Originals oder nur eine vorübergehende Ausstellung haben die Polen kategorisch abgelehnt, so Letzner. „Aber sie haben uns einen hochauflösenden Scan zur Verfügung gestellt.“ Die Qualität ermöglichte eine detaillierte Untersuchung.
Astronomische oder medizinische „Practicken“ waren im 16. Jahrhundert populär: „Eine Practick ist eine Prognose für etwas, das gab es in jeder Stadt, jeder Pfarrer hatte es vermutlich jeder Arzt hatte so etwas veröffentlicht.“ Die Practick, die 1532 von Heinrich Petri in Basel gedruckt wurde, enthält astrologische Befunde und Vorhersagen aller Art für das Jahr 1533.
Über die Wetterprognosen für die einzelnen Tage, wie: „An Sankt Stephanstag Regen oder Schnee“ kann man heute schmunzeln, sagt Hartmut Geißler, der die Textübertragung verantwortete. „Die astronomischen Inhalte sind natürlich wissenschaftlich korrekt.“ Münster prognostizierte unter anderem die Auswirkungen von Planetenstellungen auf Wetter, Krankheiten und Kriege, berechnete astronomisch die Mondphasen und sagte eine totale Mondfinsternis für den 4. August 1533 voraus. Zudem kündigte er seine berühmte „Cosmographia“ an, die erstmals 1544 erschien.
Insgesamt bietet das historische Heft spannende Einblicke in Münsters wissenschaftliche Arbeit, die einerseits von der Präzision der astronomischen Berechnungen aber auch von der Zusammenarbeit mit jüdischen Gelehrten jener Zeit zeugt. Zugleich wird in den Wettervorhersagen, Münsters Bemühen, wissenschaftliches Wissen – nicht zuletzt aus eigennützigen, finanziellen Gründen – zu popularisieren.
Wie HVI-Vorsitzende Dr. Joachim Gerhard sagte, plant der Verein weitere Projekte, um Münsters Vermächtnis in der Stadt lebendig zu halten und die Bedeutung seines Schaffens für die Stadt Ingelheim hervorzuheben. Bei der Beschäftigung mit dem Werk hat der Verein jedenfalls erfahren: in polnischen Archiven liegen zahlreiche weitere Skripten von Sebastian Münster.
Ds Halbjahresprogramm des Historischen Vereins in Ingelheim:
29. Januar:
Karl der Große in Ingelheim – Schicksalhafte Begegnungen mit den Sachsen
Hartmut Geißler, Vorstandsmitglied des Historischen Vereins, berichtet über Karls ersten Aufenthalt in Ingelheim 774 und ein Wunder um die Kirche des Wigbert, Patron der Burgkirche Ober-Ingelheim.
18. Februar:
125 Jahre Weingut Schloss Westerhaus
Ivonne von Schönburg-Glauchau beleuchtet die Geschichte des Weinguts, das 1900 von der Familie Opel erworben wurde.
2. April:
Wie datiert man alte Häuser?
Prof. Dr. Peter Haupt, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, erklärt naturwissenschaftliche, kunsthistorische und geschichtliche Methoden zur Datierung historischer Bauwerke.
14. Mai:
Das Geheimnis eines Merowinger-Grabes
Benjamin May, Forschungsstelle Kaiserpfalz, präsentiert interdisziplinäre Forschungsergebnisse zu einem Frauengrab aus den 1970er Jahren in Ingelheim.
10. Juni:
Momente der Entscheidung: Kriegsende 1944/45 in Heidesheim und Ingelheim
Christian Müller beleuchtet aus lokaler Perspektive die letzten Kriegsmonate und überraschende Ereignisse.
30. Juni:
Unruhige Städte, ruhige Dörfer? Der Bauernkrieg in Rheinhessen vor 500 Jahren
Dr. Raoul Hippchen analysiert, warum sich kleinere Orte während des Bauernkriegs ruhiger verhielten als Städte und vergleicht die Entwicklungen mit der Pfalz.
Weitere Informationen:
Website: www.histvereiningelheim.de
Tel.: 06132/714663
Email: histvereiningelheim@t-online.de
Ort und Zeit
Alle Veranstaltungen finden, sofern nicht anders angegeben, um 19 Uhr im Weiterbildungszentrum (WBZ), Fridtjof-Nansen-Platz 3, statt. Der Eintritt ist kostenfrei, und Gäste sind herzlich willkommen.