Start Mainz-Laubenheim Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen Hochkarätiges Kulturwochenende im Laubenheimer Park

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen Hochkarätiges Kulturwochenende im Laubenheimer Park

Käsekönig Kurt erhebt seine Tochter zu seiner Nachfolgerin auf dem Thron - Foto: Benjamin Drieschner, dri_productions

LAUBENHEIM – Open Air-Veranstaltungen bergen immer ein großes Risiko: Spielt das Wetter mit? Nehmen die Menschen dieses Angebot an? Rechnet sich der Aufwand? Und es ist kein Geheimnis, dass sich das Risiko in Coronazeiten potenziert. Mit dem Festival „Kultur im Park“ vom 21. – 23. August 2020 nahm die Private Musikschule Laubenheim diese Herausforderung an und hat sie glänzend bestanden.

Nach umfangreichen Vorbereitungen in kürzester Zeit eröffnete Johannes Christ „Kultur im Park“ am 21. August 2020 mit den oben zitierten Worten. Er dankte allen, die das Zustandekommen dieses Veranstaltungsmarathons ermöglicht hatten. Besonders begrüßte er die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, die sich spontan zur Übernahme der Schirmherrschaft bereiterklärt hatte, den Oberbürgermeister der Stadt Mainz Michael Ebling und Ortsvorsteher Gerhard Strotkötter.

„Kultur ist uns allen sehr wichtig“, stellte Rößner in ihren Grußworten fest. Auf der Suche, Kultur auf die Bühne zu bringen, habe die Laubenheimer Musikschule ein Format gefunden, was sicherlich auch nach Corona bestehen kann.

„Es ist wunderbar zu erleben, dass Kultur in Coronazeiten stattfindet“, freute sich Michael Ebling. Die Menschen dürsteten nach Kultur wie der Rasen des Laubenheimer Parks und lernten sie dadurch wieder wertzuschätzen.

Musikalisch eröffnet das Vorprogramm ein eigens für diese Veranstaltung zusammengestelltes Blockflötenensemble. Unter der Leitung von Henriette Christ präsentierten ein Dutzend Kinder und Jugendliche vielversprechend Adaptionen aus Klassik und populärer Musik.

Mit dem „Kleinen Streichensemble“ folgte der 2019 gegründete Streichernachwuchs, das jüngste von drei an der Musikschule etablierten Ensembles seiner Art. Unter Leitung von Lara Brecheisen und am Klavier unterstützt durch Tobias Keil schlugen sich die kleinen MusikerInnen bei ihrem allerersten Auftritt tapfer, und das Open Air und vor 350 Zuhörenden.

Stella, Streichorchester Laubenheim, die zweite, 2018 gegründete Formation beschloss den Reigen des Vorprogramms. Gecoacht von Lara Brecheisen zeigten das Sextett sein fortgeschrittenes Können und erntete dafür, wie auch die beiden anderen Gruppen den wohlverdienten Beifall des Publikums.

Dann kam der Topact, das Kammermusikensemble Laubenheim alias KAMEL. Für seine musikalische „Reise um die Welt“ hatte sich der semiprofessionelle Klangkörper vier zum Teil wenig gespielte Werke aus vier Kontinenten ausgewählt und unter Leitung des Kammermusikers Álvaro Camelo einstudiert. Seine Tour du Monde eröffnete es mit Yasushi Akutagawas „Tryptique für Streichorchester“ (1953), einem Werk, bei dem russischer Einfluss unüberhörbar ist. Mit Aaron Coplands „Concerto for Clarinet and String Orchestra, with Harp and Piano“ folgte zweifellos eines der Highlights des gesamten Festivals. Der international profilierte Klarinettist Ivan Petrov verstand es, mit seinem hochdifferenzierten Spiel das KAMEL zu höchster musikalischer Leistung anzuspornen. Nach einer extralangen Coronapause erklang Michael Hursts „Swagman’s Promenade“. Die vier traditionellen australischen Lieder, arrangiert durch Johannes Christ, sorgten mit ihren gefälligen Klängen für gute Stimmung bei den Zuhörenden. Griegs unter dem Titel „Holberg-Suite“ bekanntes Opus beschloss das Programm.

Einmal mehr übertraf das KAMEL sich selbst mit seinem Vortrag. Auch der Flug- und Zugverkehr konnte die Aufmerksamkeit des Publikums nicht beeinträchtigen, das mit Standing Ovations Zugaben einforderte.

 

In ihren Begrüßungsworten am folgenden Samstag, dem 22. August bezeichnete die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse die Kultur als Kit in der Gesellschaft. Sie betonte die großartige Leistung der Musikschule, ein solches Festival zu stemmen in einer Zeit, in der der Kultur quasi der Stecker gezogen sei.

Ortsvorsteher Gerhard Strotkötter unterstrich die besondere Atmosphäre im Ambiente der Parkanlage mit seinem alten Baumbestand und dem die Musik untermalenden Vogelgezwitscher.

Die „Mundartisten“ als „Vorprogramm“ zu bezeichnen, war sicher der zeitlichen Einordnung des Abendverlaufs geschuldet. Dieses Mal ohne ihre Textschreiberin Claudia Presser brillierte das überregional bekannte Duo Matthias Keil/Jens Teschner mit geschliffenen Beiträgen, begleitet mit Gitarren und Mundharmonika. Nach einigen aus ihrem Repertoire vorgetragenen Liedern stellten sie „Wuleewu Kartoffelsupp“ vor, in dem sie in Anlehnung an Wilfried Hilgers Buch französische Ausdrücke und Redewendungen der rheinhessischen Mundart verarbeiteten. Und am Schluss durfte die „Hymne für Laubenheim“ natürlich nicht fehlen.

Lars Reichow vorzustellen, hieße, Eulen nach Athen zu tragen. Der weithin bekannte Kabarettist, Musiker und Moderator begeisterte sein Publikum einmal mehr mit zum Teil zungenbrechenden, in atemberaubender Geschwindigkeit vorgetragenen Texten und virtuosem Klavierspiel. Schonungslos führte er die ‚Größen‘ der Weltpolitik vor und rechnete mit ihnen in beißender Ironie ab. Aber auch die andere, die nachdenkliche und lyrische Seite des Klaviators kam zum Tragen. Und in allen Beiträgen bezog Reichow mit einem Schmunzeln die ‚Metropole‘ Laubenheim mit all ihren Schönheiten ein. Als Student hatte er hier seine ersten Gehversuche als Klavierlehrer gemacht. Thema seiner Texte und Lieder waren u.a. die tagesaktuelle Politik, eine geträumte ‚Familienreise‘ nach Norwegen, die Jammertaler oben auf dem Berg, sein pädagogisch erfolgloses Familienwirken, der Parteitag der Demokraten und natürlich immer wieder Trump, Trump, Trump; natürlich auch die Rentner („und wenn wir nicht gestorben sind, sind wir verreist“), der Hund „Orban“ und andere Tiere in Coronazeiten sowie der Brexit. Den Abschluss bildete die auf Rheinhessisch vorgetragene Rede eines Spitzenkandidaten und Handy-Äbbedäbedeps. Als der tosende Beifall nicht nachließ, versuchte sich der Kabarettist in europäischen Sprachen. Wie auch die MundArtisten beendete Reichow den deutlich mehr als zwei Stunden dauernde Auftritt mit einer Reminiszenz an Mainz.

 

Eigentlich sollten sie mit weiteren Ensembles der Musikschule auf Konzertreise nach Verona fahren, die Darstellerinnen und Darsteller des Kindermusicals „Max und die Käsebande“. Nachdem diese ausfallen musste, wagten Dirigentin Henriette Christ und ihre Assistentinnen Sarah Röhl und Sophie Heitzmann das Experiment, das Musical unter Coronabedingungen auf die Bühne zu bringen.

In Peter Schindlers Musical kämpfen das Gute, repräsentiert durch Käsekönig Kurt und das Böse, vertreten durch die Milchbande gegeneinander. Die unentschlossenen Käserinnen und Käser schlagen sich schließlich auf die Seite des Guten, unterstützen Max und seine Käsebande und verhelfen Freiheit und Vielfalt zum Sieg.

Am Sonntagnachmittag, dem 23. August war es soweit: 40 Kinder vom Vorschulalter bis zur vierten Klasse standen auf, vor und neben der Bühne und begeisterten die Anwesenden mit Gesang und Schauspiel. Trotz der eingeschränkten Möglichkeiten boten sie in liebevoll gefertigten Kostümen und mit viel Bewegung am Platz eine ansprechende und pannenfreie Leistung. Eine Lehrercombo unterstützte sie bei den mal marschartigen, mal rockigen, jazzigen oder auch hymnischen Melodien mit ihrer Begleitung. Dankbarer Applaus begleitete die Kinder nach einer Stunde konzentrierten Musizierens von der Bühne.

Mit der Wiederholung des Freitagsprogramms endete die dreitätige „Musik im Park“ am Sonntagabend.

Fazit

Von der großen Bühne bis zum Mikrokabel, vom E-Piano bis zu Notenpulten, von Corona-gerechter Bestuhlung über Platzanweiserinnen bis zum Desinfektionsgel, vom Sanitätszelt über einen Getränkeservice durch die Laubenheimer „Schwarzen Gesellen“ und einem Toilettenwagen: an wirklich alles hatten Johannes und Manuel Christ und mit ihrem Helferteam gedacht. Eine großartige Leistung mit Vorbildfunktion, die zeigt, dass Kultur auch in Zeiten der Pandemie möglich ist.

 

Ulrich Nilles