NIERSTEIN – 110 Jahre „Verein für Rasenspiele Nierstein (VfR) und gar 120 Jahre „Turnverein 1901 e. V. Nierstein“ (TVN). Welcher Verein kann heute auf eine solch lange und stolze Tradition zurückblicken? In diesem Jahr feiern beide ihre Jubiläen, Corona-bedingt leider nicht mit dem Glanz, den ein solches Ereignis verdient hätte. Und beide Vereine haben sogar einen gemeinsamen Zeitabschnitt in ihrer Geschichte! Aber dazu später.
110 Jahre Verein für Rasenspiele Nierstein (VfR)
Aus diesem Anlass führte Journal LOKAL ein Gespräch mit dem ersten Vorsitzenden des VfR, Leo Bernard.
Herr Bernard, was ist heute noch über die Gründung des Vereins bekannt?
Das genau Gründungsdatum kennen wir nicht. Wir wissen aber, dass einige junge Burschen, elf an der Zahl, 1911 einen Fußballverein gründen wollten. Wir kennen auch deren Namen. Die ersten Vereinsnamen waren „Victoria 1911“ und „Alemannia“.
Erzählen Sie unseren Lesern etwas über die ersten Jahre des Vereins.
Der erste Sportplatz 1911 war eine Wiese auf dem Kornsand in Nierstein. Das erste bekannte Spiel fand 1919 gegen Oppenheim statt. Das erste Spiel auf dem Sportplatz an der Bachgasse war 1921 gegen die 1B-Manschaft von Eintracht Frankfurt. Dazu muss man wissen, dass während des Ersten wie später auch während des Zweiten Weltkriegs das Vereinsleben völlig zum Erliegen kam.
Und wie ging die Vereinsgeschichte weiter?
Den heutigen Namen erhielt der Verein 1920. Auf weitere Einzelheiten der Geschichte einzugehen, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Wer mehr wissen möchte, dem empfehle ich die Festschrift zu unserer 100-Jahr-Feier, die der schon verstorbene Uwe Stapf in mühevoller Kleinstarbeit erstellt hat. Interessenten können gerne den Vorstand ansprechen. Die Kontaktdaten findet man unter www.vfr-nierstein.com.
Nennen Sie uns bitte die heutigen Schwerpunkt-Sportarten …
Da sind zuerst die Aktiven mit der 1. und 2. Mannschaft. Außerdem haben wir eine große Jugendabteilung von der G- bis zur A-Jugend, die im „Jugendförderverein Rhein-Selz 2016 e. V.“ (JFV) integriert ist. Und natürlich die Altherrenmannschaft, in der ich selbst gespielt habe. Neben dem Fußball bieten wir Damengymnastik und Karate an. Und wir haben Freizeitmannschaften, Aule und Kehle, beide Fußballmannschaften.
… und die Anzahl der Übungsleiter.
Die Aktiven werden durch ein Trainerteam – Trainer, Co-Trainer, Fitness- und Torwarttrainer – trainiert. In der Jugendabteilung des JFV betreuen ausgebildete Trainer und eine große Anzahl Betreuer die insgesamt neun Mannschaften. Das Altherrenteam wird von Dieter Dietrich angeleitet, der früher selbst lange Jahre aktiv gespielt hat. Für die beiden Damengymnastikabteilungen stehen zwei Trainerinnen und für unsere Karateabteilung ein Trainer zur Verfügung. Alle genannten Übungsleiter und Betreuer sind sehr erfahren und tun ihre Arbeit schon viele Jahre. Darüber hinaus haben wir noch viele passive Mitglieder, die dem Verein die Treue halten und uns mit Rat und Tat unterstützen. Diesem verdienten Kreis möchte ich an dieser Stelle mein herzliches Dankeschön aussprechen.
Um lebendig und aktuell zu bleiben, bedarf es der Weiterentwicklung. Wie gehen Sie die Zukunft an?
Oberste Priorität für uns ist es, den Mitgliederrückgang zu stoppen und neue Mitglieder zu werben, in den VfR einzutreten. Bedauerlicher Weise haben uns die Handballdamen 2010 verlassen und sich wieder dem TV Nierstein angeschlossen. Das hatte einen nicht unerheblichen Mitgliederschwund zur Folge.
Außerdem planen wir, neue Abteilungen zu gründen, z. B. die Abteilung E-Fußball. Das ist elektronischer Fußball am Computer oder einer Spielkonsole, bei dem sich zwei Personen oder zwei Mannschaften gegenüberstehen.
Und schließlich möchten wir unsere Mitglieder überzeugen, wieder vermehrt ins Vereinsheim beziehungsweise zu den Heimspielen der Aktivenabteilung zu kommen. Was Fußball ohne Zuschauer bedeutet, erleben wir ja zurzeit in den nationalen und internationalen Ligen.
Womit wir bei dem Thema „Corona“ wären. Wie geht der VfR damit um?
Wir haben ein Hygienekonzept unter Beachtung der bestehenden Coronaregeln entwickelt. Daher konnten wir unseren aktiven Mitgliedern während der Lockerung des ersten Lockdowns Training und Fitnessübungen anbieten. Während beider Lockdown-Phasen mussten wir uns allerdings an die klaren Vorgaben der Verbandsgemeinde und der Kreisverwaltung halten. Jetzt freuen wir uns darüber, dass wir seit 8. März wieder kontaktfreies Training für kleine Gruppen im Freien durchführen können.
Und für die Zukunft wünscht der Verein sich, …
dass das Vereinsleben wieder einen anderen Stellenwert im Bewusstsein unserer Mitglieder erhält. In den kommenden Jahren möchten wir unsere Mitglieder wie Nichtmitglieder dafür gewinnen, wieder gerne zum VfR Nierstein kommen. Der VfR ist gut aufgestellt und alle Verantwortlichen arbeiten sehr gut zusammen. Herzlich willkommen!
Herr Bernard, Journal LOKAL dankt Ihnen für das Interview, gratuliert herzlich zum Jubiläum und wünscht alles Gute für die kommenden 110 Jahre.
120 Jahre Turnverein 1901 e. V. Nierstein
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es kaum eine Stadt oder ein Dorf in Deutschland ohne örtlichen Turnverein. So auch in Nierstein, wo am 14. Januar 1901 TV auf einer Generalversammlung in der Gaststätte „Zum Anker“ gegründet wurde. 177 Mitglieder soll der Verein bei der Gründung gehabt haben.
Die ersten Jahre waren geprägt von einer Vielzahl an Teilnahmen bei Turnfesten, bis mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs der Turnbetrieb vollständig eingestellt und erst 1919 wieder aufgenommen wurde. Das gleiche Schicksal ereilte den TV bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit dem Unterschied, dass die damalige französische Besatzungsmacht den Verein als „vaterländisch“ einstufte und verbot. Daraufhin schlossen sich die Sportbegeisterten des TV dem „Verein für Rasensport“ an. Fußballvereine wurden nämlich geduldet.
Am 29. März 1952 war es dann endlich soweit: der „TV Nierstein 1901 e. V.“ gründete sich mit sechs Abteilungen neu. 2001, anlässlich der Hundert-Jahr-Feier, waren es weiterhin sechs Abteilungen mit bereits 800 Mitgliedern. Und zum 120-jährigen Jubiläum wies der TV 16 Abteilungen mit zahlreichen Untergruppen (siehe: www.tvn-1901.de) sowie um die 1.400 Mitglieder auf. „Nicht alle davon sind Aktive. Mein besonderer Dank gilt den ehemaligen Aktiven, die den Verein weiterhin als Mitglieder finanziell unterstützen genauso wie allen anderen Gönnern und Sponsoren. Ohne diese stabilen Finanzspritzen wäre ein professionelles Arbeiten und Auftreten nicht möglich“, äußert der 1. Vorsitzende des Vereins Frank Zimmermann im Gespräch mit dieser Zeitung.
Auch die Situation der Übungsstätten hat sich im Lauf der Vereinsgeschichte erheblich verbessert. In den Anfängen waren die Tanzsäle der ortsansässigen Gaststätten vor allem im Winter die Trainingsstätten. Mit der Vollendung des Umbaus der Schulturnhalle 1955 stand dann endlich eine geeignete Räumlichkeit für das Training zur Verfügung. Und mit der Einweihung der Rundsporthalle in Nierstein 1971 steigerten sich die Qualität der Übungsmöglichkeiten noch einmal. Seit 1975 darf darüber hinaus der alte Kohlenkeller der Grundschule als Vereinsraum genutzt werden.
Auch in sportlicher Hinsicht hat sich der TV Nierstein weiterentwickelt. Lagen die Schwerpunkte zunächst auf Sportarten wie Turnen, Handball, Boxen, Fechten und Schwimmen, so wurde 1983 mit dem Angebot von Jazzgymnastik der Grundstein für die Fitness des TV gelegt.
Besonders erfolgreich war 2005 die Tanzformation „Magic Fire“. Mit dem „Tanz der Vampire“ wurde sie in der Kategorie „Schautanz Charakter“ Rheinland-Pfalz-, Deutscher- und Europameister beim Deutschen Verband im Garde- und Schautanz. 15 Jahre später, 2020, war die Formation „Magic Phoenix“ Vize-Meister in Rheinland-Pfalz. Dies sind nur zwei Beispiele für unzählige Erfolge in der 120-jährigen Vereinsgeschichte.
In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Sportarten reaktiviert und es kamen auch neue hinzu. „Unser Ziel ist es einerseits, die bestehenden Übungsgruppen zu erhalten und das sportliche Messen mit Anderen im Wettbewerb zu fördern. Andererseits wollen wir im Verein ein breites Spektrum an Sport und Spaß bieten. Dazu analysieren wir kontinuierlich die Entwicklung von bestehenden sowie neuen Sportarten, um unser Angebot im Verein weiterhin attraktiv zu gestalten“, so der 1. Vorsitzende.
Nicht zuletzt beschleunigt durch die Coronakrise hat der Verein in den vergangenen Jahren einen Sprung in der Digitalisierung gemacht. „Wir offerieren mittlerweile vielen Übungsgruppen Online-Angebote, die rege genutzt werden“, so Zimmermann. Und er freut, dass im Rahmen des Stufenplans zur Coronakrise das Training im Außenbereich, wenn auch mit Auflagen, wieder möglich ist. Ein bewährtes Hygienekonzept liegt vor.
Journal LOKAL gratuliert dem „Turnverein Nierstein 1901 e. V.“ herzlich zum Jubiläum und wünscht alles Gute für die Zukunft.
Ulrich Nilles