WEISENAU – Die hohe Qualität der Weisenauer Fastnacht darf als unbestritten gelten. Dass sie ab der aktuellen Kampagne im neuen Wohnzimmer der Narren aus dem Stadtteil – dem renovierten Kulturheim – über die Bühne geht, freut allem voran den Carneval Club Weisenau 1948 – Burggrafengarde (CCW). Nun sorgte ebenjene Veranstaltungshalle, die die Stadt vor der Kampagne und dem 75. Jahr der Vereinsgründung fertigstellen konnte, für eine weitere Qualitätssteigerung. Die Akustik überrascht positiv und der Raum übermittelt die Schallwellen des Frohsinns in die ersten und auch in die letzten Reihen. Auch auf der Empore sind die Gesangs- und Wortbeiträge gut verständlich. Wohl den Fastnachtsvereinen, die solche Hallen nutzen können. Gelingt es den Planern zudem, die Stimmung aus der Zeit vor dem Umbau zu transferieren, dann freut es auch die Besucher. All das umfasst beste Voraussetzungen für eine furiose Fremdensitzung.
Bei den Rednern schöpft der CCW aus dem Vollen. Neben Markus Mehlinger, Beate Dietz, Celia Schroth und Rüdiger Schlesinger tritt auch Hansi Greb in die Bütt. Der „Second-Hand-Opa“ referiert über das Familienleben: „Ob im Sommer oder Winter / Ich hab‘ Spaß mit meinen Enkelkindern.“ Das Publikum erhebt sich zum Applaus nach seinem Auftritt und tut dies ähnlich nach der Darbietung von Gunter Raupach, der seinen Vortrag dem Eheleben und den Wehwehchen im Alltag widmet: „Ihr kennt die Herrendüfte für Männer ab 55? – Voltaren, Kytta, Mobilat.“
Zur Musik: Plötzlich zaubert der Verein tatsächlich ein – womöglich für die gesamten Mainzer Fastnacht bleibendes – Juwel aus dem Hut. Die Rede ist von Markus Schoenberg, der als „Ignaz“ aus der nach eigenem Bekunden „rheinhessisch oberbayerischer Rhön“ stammt. Ja, er dürfte „ein neuer Stern im Fastnachtshimmel“ werden, wie es Sitzungspräsident Steffen Feldmann vermutet. Schoenbergs Lied mit dem Refrain „Sei nett zu deiner Fleischereifachverkäuferin. Dann ist auch e Sticksche Fleischworscht drin“ wird vom Publikum leidenschaftlich wiederholt. Genauso wie die Lieder von Woody Feldmann, die den Saal zu einem der vielen Höhepunkte des Abends begleitet. „Es gibt Leute, die sich in der Corona-Zeit entwickelt haben: Männer, die mal in die Küche gelaufen sind.“ Es ist eine Wonne, ihr zuzuhören. Nicht nur beim obligatorischen Lied über das „Subber Dubberschisselsche mit Deckel“. Sondern auch beim Ständchen, das sie dem Sitzungspräsidenten gemeinsam mit dem Publikum zu dessen Geburtstag bringt.
Die Mainzer Hofsänger verstehen es gut, die Verwicklungen eines ihrer Mitglieder in das Reichsbürger-Unding zu thematisieren: Die Lücke, die sie durch einen leeren Platz in der Sängerreihe absichtlich unbesetzt lassen, wird geistreich erklärt: Einer sei abhandengekommen und singe jetzt im Gefangenenchor in Karlsruhe.
Das CCW-Showballett um Nicole Schmitt tanzt sich warm beim „Summertime meets Latino“ für eine Zumba-Stunde. Die Trommer der Burggrafengarde präsentieren sich blendend und suchen Mitstreiter. Beim Ballett „Rumpelfüssler“ (Choreografie: Elina Schroth) sitzt kaum jemand im Saal. Es heißt ja: „Steht auf, wenn ihr Mainzer seid“. Es bleibt schön bis zum vierfarbbunten Feuerwerk, das die Musik von „Sound of Weisenau“ zündet und alle Mucker und Philister, die die Festung der Burggrafengarde einnehmen wollten, endgültig vertreibt.
Wer war noch dabei? Meenzer Meedscher, CCW-Nachwuchsballett „Die Burg11en“, Gardeballett.
Autor: Gregor Starosczyk-Gerlach