Start Gesellschaft „Ein Stück Mainzer Geschichte rückt in den Mittelpunkt“ Gedenkort am Mainzer Güterbahnhof

„Ein Stück Mainzer Geschichte rückt in den Mittelpunkt“ Gedenkort am Mainzer Güterbahnhof

Der Gedenkort solle sowohl zufällig vorbeikommende Menschen als auch gezielt interessierte Besucher ansprechen. Visualisierung: A.S.W Atelier Schmelzer Weber und Professor Andreas Theurer.

HAMÜ/NEUSTADT – Auf dem Gelände des ehemaligen Mainzer Güterbahnhofs errichtet die Landeshauptstadt Mainz einen Gedenkort, der an die Massendeportationen während der NS-Zeit erinnert. „Der geplante Gedenkort rückt ein Stück Mainzer Geschichte in den Mittelpunkt, das niemals in Vergessenheit geraten darf: die Gräueltaten der Nationalsozialisten, zu denen auch die massenhaften Deportationen gehören, die von diesem Ort ausgingen“, teilte Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse zum Beginn der Arbeiten.

„Das war nur möglich, weil die gesamte Stadt mitgemacht, weggeschaut oder geschwiegen hat.“ Der Gedenkort solle nun an die verübten grauenhaften Verbrechen erinnern und für heute und die Zukunft wachsam machen, so die Dezernentin. Das Areal gehört dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, das der Stadt das Gelände für den geplanten Gedenkort zur Verfügung stellt. Grosse zeigte sich für dessen „uneingeschränkte und engagierte Unterstützung“ für das Projekt sehr dankbar.

Unternehmen vlexx GmbH hat notwendige Bodenarbeiten durch ein Bauunternehmen durchführen lassen. Foto zeigt Maßnahmen zum Bodenaustausch.
Foto: Landeshauptstadt Mainz

Auf dem Gelände nördlich der Goetheunterführung, gegenüber dem UNESCO-Welterbe Jüdischer Friedhof, wurden bei Bauarbeiten Reste einer historischen Verladerampe des Mainzer Güterbahnhofs entdeckt. Bereits am 16. Mai 1940 hatten die Nationalsozialisten etwa 100 in Mainz lebende Sinti in das besetzte Polen verschleppt. Ob der hierfür eingesetzte Sonderzug vom Hauptbahnhof oder ebenfalls vom Güterbahnhof abfuhr, ist nicht überliefert.

Historisch belegt ist jedoch, dass die nachfolgenden Deportationen vom Güterbahnhof aus erfolgten. Auf die erste Massendeportation am 20. März 1942 von 470 Personen folgten Ende September zwei weitere: Am 27. September brachte man 453 meist ältere Menschen in das Lager Theresienstadt, am 30. September 1942 dann nochmals 883 hessische Jüdinnen und Juden, darunter 178 aus Mainz, direkt in das Vernichtungslager Treblinka. Gleich nach ihrer Ankunft wurden sie ermordet.

Am 10. Februar 1943 und zu Beginn des Jahres 1944 wurden weitere kleinere Gruppen aus Mainz nach Theresienstadt verschleppt. Bis Kriegsende waren mit 1131 Menschen fast alle Mainzer Juden und Jüdinnen, die nicht hatten emigrieren können, deportiert.

Um einen würdigen Ort zum Gedenken zu gestalten, führte das Stadtplanungsamt 2017 einen Ideenwettbewerb durch. Das Ziel war die Erarbeitung eines künstlerischen und landschaftsplanerischen Konzeptes für einen Gedenkort, der an die Entrechtung und Vertreibung von Mainzer Bürgern durch Mainzer Bürger während des Zweiten Weltkrieges erinnern soll. Den ersten Preis des Wettbewerbs erlangte der Entwurf von Atelier Schmelzer Weber aus Dresden und Andreas Theurer aus Berlin.