MAINZ-BINGEN – Thomas Barth (CDU) derzeit Ortsbürgermeister von Stadecken-Elsheim und Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags, bewirbt sich um das Amt des Landrats in Mainz-Bingen. Journal LOKAL stellte dem Kandidaten Fragen zu den Herausforderungen bei Themen wie Wirtschaft und Finanzen, Pflege und Gesundheit, Integration und Migration sowie Umwelt- und Klimaschutz und nicht zuletzt ÖPNV.
Journal LOKAL: Eine wichtge Frage zuerst, Herr Barth, wie wollen Sie die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises fördern?
Thomas Barth: Gute Wirtschaftspolitik ist zunächst einmal gute Infrastrukturpolitik – das will ich zur Chefsache machen. Tatsächlich geht es dabei vor allem um Baufragen. Hier werde ich bei komplexeren Planungs- und Genehmigungsmaßnahmen alle Beteiligten an einen Tisch holen – wir müssen weg von der Salamitaktik, die nicht nur Zeit, sondern auch Geld kostet. Ich stelle mir aber auch vor, eine Vernetzung unserer erfolgreichen Unternehmen zu fördern, um Entwicklungs- und Nachwuchspotenziale zu bündeln.
Journal LOKAL: Welche Pläne haben Sie, um den Haushalt des Landkreises nachhaltig zu gestalten?
Thomas Barth: Zwei Sachen vorweg: Zum einen stehen die CDU und ich für eine solide Finanz- und Investitionspolitik, die sich nicht allein auf die Gegenwart konzentriert, sondern auch den Blick in die Zukunft richtet. Zum anderen muss eine Umlageerhöhung immer das allerletzte Mittel sein. Ich weiß aus ureigener Anschauung um die Finanzsorgen unserer Städte und Gemeinden. Wir müssen tatsächlich auf die verbliebenen freiwilligen Leistungen schauen und gucken, was dort noch eingespart oder synergetisch anders angegangen werden kann.
Auch bei Nach- und Neubesetzung von Stellen werde ich genauer schauen. Ein weiterer hoher Kostenanteil sind die Ausgaben für Unterhaltung von Infrastrukturvermögen. Da ist jeder Wartungsvertrag kritisch unter die Lupe zu nehmen und nach Spar- oder Synergieeffekten zu schauen. Als Ortsbürgermeister bin ich da durchaus erfahren: Wir haben vor zwei Jahren unseren Gemeindehaushalt wirklich an jeder Stelle hinterfragt und jeden Cent mehrmals umgedreht – so bekamen wir am Ende ein erfolgreiches Ergebnis hin. Da ist zwar sehr aufwändig, aber ebenso produktiv wie sinnvoll. Wenn wir als Landkreis schon von den Gemeinden erhebliche Umlagezahlungen erheben, wollen wir auch Vorbild in effizienter und sparsamer Haushaltsführung sein.
Journal LOKAL: Welche Maßnahmen möchten Sie ergreifen, um die Qualität der Pflege in häuslichen und stationären Einrichtungen zu verbessern?
Thomas Barth: Ich will die Pflegestützpunkte weiter stärken und unterstützen. Hier muss das Land seinen Finanzierungsanteil endlich aufstocken. Die Gemeindeschwester plus ist in den Pflegestützpunkt zu integrieren als gemeinsame Anlaufstelle für Ratsuchende. Die Kosten für stationäre Pflege sind zu hoch, daher muss der ambulante Bereich gestärkt werden, da die meisten pflegebedürftigen Personen von Angehörigen zu Hause betreut werden.
Es gilt zu überlegen, und da werde ich über den Landkreistag aktiv werden, Standards bei der Pflege zu senken, da kein Pflegepersonal mehr da ist (Pflegedienste). In diesem Zusammenhang sind Strukturen für Versorgung wie Essen auf Rädern, ärztliche Ausstattung und Versorgung mit Lebensmitteln unter Berücksichtigung des demographischen Wandels neu aufzustellen.
Journal LOKAL: Wie möchten Sie die Gesundheitsversorgung im Landkreis sicherstellen und verbessern?
Thomas Barth: Im letzten Jahr konnten wir einen umfassenden Ausbau der Rettungswachen anstoßen, die für eine noch bessere Notfallhilfe im Kreis sorgen wird. Durch diese Maßnahmen ist es uns gelungen, sicherzustellen, dass die gesetzlichen Hilfsfristen auch weiterhin eingehalten werden können und wir attraktive Arbeitsplätze anbieten können. Die Menschen im Kreis vertrauen zu Recht darauf, dass die Rettungs- und Sicherheitskräfte im Ernstfall schnell und kompetent Hilfe leisten. Pflegestützpunkte sind wichtige Institutionen für die medizinische Versorgung im Alter. Sie werden wir auch in Zukunft fördern und unterstützen.
Wir setzen uns bereits mit Nachdruck für die Erhaltung des Krankenhausstandorts Bingen ein, damit eine wohnartnahe notfallmedizinische und stationäre Versorgung der Einwohner im nördlichen Kreisgebiet gewährleistet ist. Ich fordere nach wie vor vom Land eine Gesundheitskonferenz für den Landkreis Mainz-Bingen, um die Versorgungsstrukturen langfristig zukunftsfest zu machen. Es muss mehr Planungssicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger entstehen. Der Wegfall des Krankenhauses und der Bereitschaftspraxis in Ingelheim und die Einschnitte bei der ärztlichen Notfallversorgung durch das Land sind den Menschen nur schwer zu erklären. Hier will ich das Land und die Kassenärztliche Vereinigung mit Nachdruck an ihre Verantwortung erinnern.
Journal LOKAL: Welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um den Klimaschutz im Landkreis weiter voranzutreiben?
Thomas Barth: Mit der Energiezelle sind wir da auf einem sehr guten Weg und, wie ich meine, einzigartig unterwegs. Insofern ist die Verwendung der KIPKI-Mittel des Landes zur Förderung zum Einbau von Wärmepumpen das absolut Richtige. Als Energiezelle unabhängig von externer Energie zu werden und dabei auf neue Technologien zu setzen, halte ich für durchaus vorzeigbar. Es darf aber hier kein „Auf Teufel komm raus“ geben. Der eingeschlagene Weg ist konsequent weiterzugehen und die Mitbürger/innen mitzunehmen – und wenn es uns dann noch gelingt, Genehmigungsverfahren für Solarparks oder Windkraftanlagen zu beschleunigen, ist das auch etwas.
Journal LOKAL: Wie möchten Sie den Katastrophenschutz, insbesondere in Bezug auf Unwetterereignisse, stärken?
Thomas Barth: Ich bin seit über 30 Jahren Feuerwehrmann und kenne diverse Einsatzlagen aus der Praxis. Im Katastrophenschutz sind wir sehr gut aufgestellt. Da hat sich glücklicherweise seit der Katastrophe im Ahrtal auch einiges getan. Wichtig ist, dass neben den Einsatzkräften vor allem der Verwaltungsstab im Katastrophenfall funktioniert, das und das geht – wiederum aus eigener Erfahrung – durch Üben, Üben, Üben. Zudem sind derzeit einige Verbandsgemeinden, beispielsweise Nieder-Olm, in puncto Hochwasser-/Starkregenschutz und Prävention unterwegs, das ist sehr gut. Es fängt zum Beispiel schon damit an, dass die Anwohner ihre Straße kehren. Das ist kein angestaubtes Heimatbild von gestern und erst recht keine Gängelung, sondern vorbeugender Hochwasserschutz; denn möglichst laub- und dreckfreie Straßen und Abflussrinnen verstopfen später keine Einläufe und Gullis.
Journal LOKAL: Wie sehen Sie die Entwicklung rund um die KRN, wie sind Ihre Pläne zur weiteren Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs im Landkreis?
Thomas Barth: Wir haben mit der Linie Bad Kreuznach – Mainz die erfolgreichste ÖPNV-Linie in ganz Rheinland-Pfalz. Wenn es landesseits endlich mal ein tragfähiges Nahverkehrskonzept gibt, wird sich der Landkreis mit seiner Expertise gerne einbringen und dies weiterentwickeln. Ein Thema bleibt die Tarifstruktur, wenngleich das Deutschlandticket hier zu einem gewissen Ausgleich von früheren Nachteilen durch das Wabennetz geführt hat.
Journal LOKAL: Wie sehen Sie die Defizite und Ressourcen hinsichtlich der Anbindung zwischen den Zentren wie Mainz, Bodenheim, Nieder-Olm und Oppenheim oder Guntersblum untereinander, sind auch ländliche Gebiete gut angebunden?
Thomas Barth: Insgesamt sind wir gut aufgestellt; es wird nicht funktionieren, dass immer genau dann ein Bus genauso fährt, wenn und wie ich ihn gerade brauche. Daher sind wir hier auf dem Land nach wie vor auf das Auto angewiesen. Unsere Buslinien werden immer wieder neu evaluiert. In ferner Zukunft wird sicherlich ein intelligenter ÖPNV Standard sein; ich kann mir hier Mainz-Bingen als Vorreiter vorstellen.
Journal LOKAL: Welche Maßnahmen sehen Sie vor, um die Verkehrsinfrastruktur im Landkreis zu verbessern?
Thomas Barth: Für die Sanierung von Kreisstraßen gibt der Kreis genügend Mittel, aber nicht das Land, das sich ja kofinanziell beteiligen muss. Unser Straßenausbauprogramm steht – wir könnten hier auch deutlich mehr unterwegs sein, aber es liegt, wie gesagt, nicht an uns, dass wir die PS nicht auf die Straßen bringen.
Journal LOKAL: Wo sehen Sie die Defizite bei der Integration von Migranten und Geflüchteten in den Landkreis? Wie sehen Sie die Situation um deren Aufnahme und Unterbringung, was wollen Sie in dem Punkt machen?
Thomas Barth: Schwierig ist es die Geflüchteten schnell in Arbeit zu bringen. Hier gibt es immer noch viele bürokratische Hürden. Immer mehr Menschen benötigen psychologische Unterstützung, da sie traumatisiert hier ankommen. Hier sind die Wartezeiten bei therapeutischen Einrichtungen zu lang, der Landkreis verfügt günstigerweise über eigenes ausgebildetes Personal, so dass wir versuchen, zeitnah und angemessen die Menschen zu unterstützen. Aufnahmen und Unterbringung sind eine kaum lösbare Aufgabe geworden, die viel Kräfte bindet.
Die dezentrale Aufnahme ist das Ziel, hier erfolgt Integration am effektivsten. Die Vernetzung in der kommunalen Familie ist daher sehr wichtig; es funktioniert nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Leider werden wir hier oft alleine gelassen, zudem sind wir im Landkreis extrem auf Finanzmittel von Bund und Land angewiesen, die nur sehr schleppend und viel zu wenig kommen. Es gibt zu wenig Rückführungen von Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben. Die Kreisverwaltung konnte glücklicherweise Mitarbeiter/innen einstellen, die sich in den größeren Unterkünften um die Alltagsprobleme der Menschen kümmern, dazu gibt es auch Alltagshelfer und den Integrationsbeauftragten.
Für diesen wichtigen Einsatz bin ich sehr dankbar! Die Einführung der Bezahlkarte und eine schnelle Umsetzung hier im Kreis Mainz-Bingen – allen technischen Schwierigkeiten zum Trotz – ist mir wichtig. Mit den Vertretern der Integrationsbeiräte und der Kreisverwaltung finden regelmäßige Austauschtreffen statt – das wird so beibehalten.
Journal LOKAL: Wie stehen Sie zur aktuellen Reform der Förderschulen und deren Auswirkungen auf die Inklusion im Landkreis?
Thomas Barth: Die aktuelle Reform der Förderschulen zählt zu den größten Fehlern der SPD-geführten Landesregierung. Betroffene, Behindertenbeauftragte und Schulen können das nicht nachvollziehen. Einmal mehr, weil hier etwas „reformiert“ wird, ohne die Betroffenen vorher einmal zu fragen. Inklusion mit der Brechstange funktioniert eben nicht, und hier wird ideologiegetriebene Politik über das Wohl der Kinder gestellt. Ich habe selbst einen behinderten Zwillingsbruder und werde mich da auch von niemandem belehren lassen, der es angeblich besser weiß. Ich kann nur hoffen, dass eine künftige CDU-geführte Landesregierung das Wohl der Kinder und die Bedürfnisse der Eltern mehr im Blick hat. Dass gerade zum Beispiel an der Albert-Schweitzer-Schule in Ingelheim mit der Reform das erfolgreiche Modell der 10. Klasse und Übergang in den ersten Arbeitsmarkt abgeschafft werden soll, ist einfach nur unverantwortlich – denn das ist Inklusion, wenn Schüler aus L-Schulen erfolgreich im Arbeitsmarkt ankommen. Das wird jetzt gerade den Schülern mit einer Lernbehinderung genommen. Und wer glaubt, dass dies an einer Realschule+ funktioniert, wo dafür weder die räumlichen noch sächlichen geschweige denn personellen Ressourcen vorhanden sind, hängt völlig unrealistischen Träumereien nach.
Journal LOKAL: Was sind Ihre Prioritäten für die Bildungspolitik im Landkreis, insbesondere im Hinblick auf die Ausstattung von Schulen und die Unterstützung von Lehrkräften?
Thomas Barth: Ich komme als Bildungspolitiker in viele Schulen des Landes und muss sagen, dass unsere zu den am besten ausgestatteten gehören. Natürlich gilt es, und das weiß ich als Ortsbürgermeister nur zu gut, die Schulinfrastruktur auch zu unterhalten. Das wird weiterhin ein wesentlicher Schwerpunkt sein. Viel spannender ist die Frage nach der Schulentwicklung im Kreis: Zunächst einmal kämpfe ich weiterhin für eine Realschule plus in Nieder-Olm. Auch das Thema „Internationale Schule“, nachdem es in Mainz gescheitert ist, muss auf die Agenda des Landkreises. Zudem braucht es dringend eine weitere weiterführende Schule zwischen Oppenheim und Ingelheim, um eben die dortigen riesigen Gymnasien zu entlasten.
Journal LOKAL: Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte: Gregor Starosczyk-Gerlach