Start Politik Klimaschutz ist Freiheitsschutz Vizekanzler Robert Habeck im Alten Postlager in Mainz

Klimaschutz ist Freiheitsschutz Vizekanzler Robert Habeck im Alten Postlager in Mainz

Engagiert stellte Kanzlerkandidat Robert Habeck seine Ideen zukunftsorientierter Politik vor. Foto: Tine Kuncke @lichtrauschfotografie

MAINZ – „Es ist auch für uns unerwartet, dass so viele Menschen an einem kalten Sonntagnachmittag gekommen sind, um sich eine politische Debatte anzuhören“, begrüßte der Vizekanzler, Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, die rund 1.600 Menschen, die im Alten Postlager in Mainz Platz gefunden hatten. Nach Schätzungen der Veranstalter warteten bei der Wahlveranstaltung der Grünen zur Bundestagswahl draußen noch weitere 3.000 Personen, die aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen werden konnten.

Der Kandidat der Grünen aus dem Wahlkreis Mainz, Thorsten Becherer, sowie die Spitzenkandidatin des Landes, Misbah Khan (MdB), eröffneten die Veranstaltung und baten Habeck auf die Bühne. In seiner fast einstündigen Rede analysierte Habeck die politische Lage in Deutschland und skizzierte Lösungsansätze. Der Bruch der Ampelkoalition habe die innere Zerrissenheit in der deutschen Politik offengelegt. Nach der Bundestagswahl am 23. Februar gehe es darum, Bündnisfähigkeit zu demonstrieren, die Kunst des Kompromisses zu pflegen und die politische Kultur wiederherzustellen.

Eine zentrale Frage, die Habeck behandelte, war die Entscheidung zwischen einer autoritären Politik und einer liberalen Demokratie. Letztere stehe in der Tradition einer freien Gesellschaft, die in der Lage sei, selbstbestimmt zu handeln. Europa und Deutschland stünden in dieser Tradition mit der Sozialen Marktwirtschaft und dürften es nicht zulassen, dass Tech-Milliardäre in die Politik eindrängen und diese bestimmten.

Genauso entschieden wandte sich Habeck gegen den Populismus, der versuche, die Gesellschaft zu spalten. „Er ist eine Wirkmethode, ein Land in die Entscheidungsunfähigkeit zu führen“, erklärte er. Ein einzelnes Problem werde dabei so hochskaliert und mit Falschinformationen und Lügen aufgeladen, dass Verunsicherung um sich greife und die Fähigkeit zur Verständigung verloren gehe, so Habeck.

Schätzungsweise über 3.000 Menschen fanden keinen Einlass in die Halle bei der Wahlkampfveranstaltung der Grünen zur Bundestagswahl.
Foto: Marco Laubstein

„Deutschlands Wohlstand beruht auf Bedingungen, die nicht mehr da sind“, leitete der grüne Kanzlerkandidat seine wirtschaftspolitischen Überlegungen ein. Die Handelsmärkte verschöben sich, Zölle beeinträchtigten den für Deutschland wichtigen Export, billige fossile Energien stünden nicht mehr zur Verfügung, und das Land habe zu wenig auf zukunftsträchtige Startups gesetzt. Auch die Unternehmen hätten zu wenig in Neues und Herausforderndes investiert. Es sei in den vergangenen drei Jahren zwar viel auf den Weg gebracht worden, aber die Regeln für zeitgemäße Mittel müssten angepasst werden. „Wir müssen die Investitionsbremse ‚Schuldenbremse‘ neu denken, um dann direkt in die Industrie zu investieren“, forderte er.

Auch zu einem Kernthema grüner Politik bezog Habeck Stellung: „Es ist fatal, die Debatte über Klimaziele wieder zu eröffnen. Klimaschutz ist Freiheitsschutz für uns, für unser Leben in unserer Zeit und für unsere Kinder und Enkelkinder“, rief er der Zuhörerschaft zu. „Wenn Deutschland beim Klimaschutz wackelt, dann kippt Europa.“ Das Bundesverfassungsgericht habe 2019 entschieden, dass es ein Recht der kommenden Generation auf Freiheit gebe und dabei den „Klimaschutz gleich Freiheit“ als eine Verpflichtung der Politik verankert. Zur Illustration seiner Haltung wies Habeck auf klimawandelbedingte Extremwetterereignisse, auch in Rheinland-Pfalz, hin und stellte klar, dass sich die globalen Märkte längst im Wettbewerb um die Industrie der Zukunft entschieden hätten und massiv in grüne Industrie investierten. Deutschland dürfe hier nicht den Anschluss verpassen.

Bodenständiger wurde der Kanzlerkandidat bei seinen Ausführungen zu den oft bespöttelten Küchentischgesprächen. Dort würden die Menschen ihre Sorgen und Alltagsnöte besprechen, sei es das Finden bezahlbaren Wohnraums, die steigenden Mieten, die Energiepreise oder die Frage, ob man noch einen Euro für ein Geburtstagsgeschenk übrighabe. „Wir haben ihnen gut zugehört und ihnen Antworten auf diese konkreten Bedürfnisse gegeben, ohne das Neue infrage zu stellen.“

In seinem Schlussappell forderte er die Zuhörer auf, Demokratie und selbstbestimmte Freiheit mitzugestalten. Bei der Bundestagswahl gehe es nicht vordergründig um Namen möglicher Kanzler, sondern darum, ob es genug Menschen gebe, „die sich in dieser Situation des Landes in den Dienst der Demokratie stellen.“