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Einfach mitmachen und nicht meckern

MAINZ – Die Coronakrise hat besonders gravierende Auswirkungen auf das Familienleben. Vielfach unterscheidet sich das Familienleben von heute gravierend dem vor der Krise. Da ist guter Rat gefragt. Wir sprachen dazu mit Katrin Thiery, beim Kinderschutzbund Mainz für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Kein Urlaub, wochenlang zuhause, weil keine Schule und ständig die Eltern um die Ohren: In welchem Alter macht das Kindern die meisten Probleme?

KATRIN THIERY: Was im Gespräch mit Familien auffällt ist, dass Kinder und Eltern die Rückbesinnung auf den Familienkern, das ruhigere, weniger durch Außenreize und Termine geprägte Leben durchaus zu schätzen wissen und dies unabhängig vom Alter der Kinder. Aber ganz klar verläuft dies nicht ohne Konflikte. Die Nerven liegen dann schon mal blank.

Wenn dann noch dauerhaft der Schulbesuch nicht möglich ist…

KATRIN THIERY: Ja, wenn Freunde fehlen, Eltern im Home-Office konzentriert arbeiten möchten, das Mittagessen pünktlich auf dem Tisch stehen soll und sich eine gereizte Stimmung aufbaut – dann ist es egal, wie alt das Kind ist. Das belastet jeden und es ist nicht einfach, seine Gelassenheit zurück zu gewinnen. Da kann es helfen, einfach nur gehört zu werden, sich in Ruhe auszusprechen und andere Wege zu finden.

Was raten Sie speziell den Eltern?

KATRIN THIERY: Als Eltern tut es gut, einmal die Perspektive der Kinder einzunehmen: Für Kinder und Jugendliche ist die Situation alles andere als einfach. In der öffentlichen Wahrnehmung werden sie darauf reduziert, schulisch zu funktionieren und das trotz eines völlig neuen und oftmals chaotisch funktionierenden Beschulungssystems. Sie sollen bloß Rücksicht nehmen auf die „Risikogruppen“ und als Ansteckungsquelle aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Dabei werden die Bedürfnisse dieser jungen und an sich per se schützenswerten Altersgruppe gerne komplett übersehen und hintenangestellt: den Kindern und Jugendlichen fehlen die Freunde, Gemeinschaft mit Gleichaltrigen. Oma und Opa tun als Ausgleich in der Familie Not, Sport oder andere Hobbys sind nicht möglich und die Spielplätze waren während des Shutdowns sogar komplett geschlossen. Zuhause stehen die Eltern unter Umständen selbst unter großem Druck und sind leichter reizbar.

Was raten Sie: Soll man mit seinen Kindern jeden Tag was unternehmen oder dies eher als besondere Schmankerl dosiert einsetzen?

KATRIN THIERY: Eine feste Tagesstruktur ist sehr wichtig, denn dies gibt Halt und motiviert. Eine Sache am Tag, auf die man sich freuen kann, gehört hier unbedingt dazu. Egal ob das nun eine Unternehmung sein muss oder das Lieblingsessen. Eine tägliche gemeinsame Zeit zu vereinbaren, kann ebenfalls ein schönes Ritual werden,beispielsweise mit kochen, vorlesen, spielen oder basteln. Diese Zeiten gehören dann zum täglichen Ablauf dazu und tragen zum guten Familienklima wesentlich bei. Für den Schlafrhythmus und die Psyche ist es wichtig, einmal am Tag wenigstens für eine Stunde an der Luft zu sein. Dies am besten mit einem ausgewählten Freund, aber den geforderten Kontaktabständen.

Sollen die Eltern immer den Wünschen ihrer Kinder folgen oder eher festsetzen, was unternommen wird?

KATRIN THIERY: Boxt man als Eltern seinen Willen durch, wird der am schönsten gemeinte Ausflug im schlimmsten Fall zur Mecker- und Motzplattform derer, die diese Idee nicht gut fanden. Ein Weg könnte sein, die einzelnen Wünsche zu sammeln und abwechselnd jeden zum Zug kommen lassen. Und für alle anderen gilt dann: Einfach mitmachen und nicht meckern.

Was lautet Ihr Rat, wenn die Kinder nicht vom Fernseher oder der Playstation weg zubekommen sind?

KATRIN THIERY: Gemeinsam feste Zeiten setzen und darauf bestehen. Hier hilft nur eine klare Vereinbarung, denn die Sogwirkung dieser Medien ist zu groß. Fernsehen und Playstation sind eine schöne Zerstreuung und wer seine Aufgaben des Tages erledigt hat und draußen war, der darf sich gerne Medienzeit gönnen. Empfehlungen gibt es unterschau-hin.info oder klicksafe.de. Neben der Frage der Dauer ist es auch wichtig, was konsumiert wird und ob Inhalte altersgerecht sind. Und ganz klar: Letztlich sind wir als Eltern in unserer Mediennutzung immer Vorbilder.

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Seit ihrer ersten Ausgabe bin ich in verschiedenen Bereichen engagiert bei Journal LOKAL - die lokale Zeitung. Heute verantworte ich die Ausgaben "Mainz", „Mainz-Mitte“ und „Mainz-Mombach“. „Die lokale Berichterstattung ist für mich immer wieder etwas Besonderes, da man hier ganz nah an den Menschen ist“, möchte ich, Jahrgang 1964, meine Arbeit beschreiben. „Außerdem ist Mainz eine tolle Stadt mit einem tollen Umfeld.“