MAINZ/INGELHEIM/OPPENHEIM/DARMSTADT – Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gebe zwar keine Wahlempfehlung ab, stellte die neue Kirchenpräsidentin Christiane Tietz klar. Gleichwohl rief sie dazu auf, sich nicht von Wahlkampfpolemik blenden zu lassen, sondern genau hinzusehen: „Es geht darum, die Positionen der Parteien und die Folgen ihrer Politik für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie zu betrachten. Wir sollten uns fragen, welche Zukunft wir wollen.“
Erst vor Kurzem übernahm Tietz das Amt vom Vorgänger Volker Jung. Einen Vortrag mit dem Titel „Angefochtene Demokratie. Hilft nur noch beten?“ wird die Kirchenpräsidentin am Montag, 3. Februar, 19 Uhr, in der Stadtkirche Darmstadt (Kirchstraße 11), halten.
Im Vorfeld betonten sie im Blick auf das Menschenbild der Bibel die Bedeutung christlicher Werte, auch in hitzigen Wahlkampfzeiten. Demokratie sei nicht nur eine Frage von Mehrheiten, sondern von Menschenwürde, Minderheitenschutz und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Deshalb engagiere sich die Kirche aktiv für die Demokratie, etwa mit der Initiative „Für alle. Mit Herz und Verstand“ in Hessen und Rheinland-Pfalz.
Tietz beobachtet mit Sorge, wie stark derzeit versucht werde, Ängste zu schüren und die Gesellschaft zu spalten. Sie appelliert an das Miteinander: „Ich hoffe, dass wir uns weiterhin als Menschen wahrnehmen, einander in die Augen sehen und gemeinsam über unsere Zukunft sprechen.“
Besondere Wachsamkeit mahnt sie gegenüber extremistischen Parteien an. „Ihre Erzählung ist oft von Trennung, Spaltung und Angst geprägt. Sie behaupten, allein Deutschland retten zu können. Doch wer Hass sät, wird keine stabile Zukunft gestalten können.“
Gerade in der aktuellen Debatte um sozial schwache Gruppen werde vielfach mit Unmenschlichkeit argumentiert. „Doch Christinnen und Christen wissen: Für Gott ist jeder Mensch wertvoll“, erinnert Tietz. Sie warnt davor, ganze Gruppen pauschal abzuwerten. „Die deutsche Geschichte lehrt uns, wohin Ausgrenzung führen kann. Unsere Gesellschaft war immer stark durch Nächstenliebe und Zusammenhalt. Das sollten wir nicht vergessen.“
Die Grundwerte Respekt, Solidarität und Nachsicht seien nicht nur christliche Prinzipien, sondern auch das Fundament der deutschen Gesellschaft. „Wer auf Gemeinsamkeiten setzt, ist stärker als der, der Hass und Angst schürt“, ist sich Tietz sicher.
Ein weiteres zentrales Thema ihrer Botschaft ist der Umgang mit Migration. „Die Bibel ist zum Großteil eine Migrationsgeschichte. Sie erzählt von Menschen, die aus verschiedenen Gründen ihr Land verlassen müssen und in der Fremde auf unterschiedliche Weise behandelt werden.“
Christinnen und Christen seien dazu aufgerufen, Menschen in Not zu helfen. Dabei müssten die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass die Last gerecht verteilt werde, aber „Menschenwürde darf dabei niemals in Frage gestellt werden.“