
HAMÜ/NEUSTADT – Die Arbeiten für das Besucherzentrum am Alten Jüdischen Friedhof haben begonnen. 2025 soll das Bauprojekt abgeschlossen sein und die Eröffnung im Frühjahr 2026 gebührend gefeiert werden. Bei einer Führung über den Friedhof aus Anlass des offiziellen Baubeginns haben Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) gemeinsam mit Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) die Pläne zur Aufwertung des historischen Denkmals vorgestellt.
Das Hauptziel dabei sei es, den Friedhof öffentlich zugänglich zu machen. Die westliche Grenze des Friedhofs wollen die Planer mit einer kreativen, naturverbundenen Idee verschönern. Gegenwärtig ist der Verbindungsweg zwischen der Paul-Denis- und Mombacher Straße durch einen unschönen Metallzaun abgegrenzt.
Die eiserne Absperrung soll einer Heckenumrundung aus immergrüner Eibe weichen: durch einzelne Sichtfenster und aus unterschiedlichen Perspektiven fällt dann der Blick der Betrachter auf die letzte Ruhestätte. Zusätzlich sollen gepflasterte Wege dort entstehen, wo sie baurechtlich möglich sind. Da der Friedhof unter Denkmalschutz steht, seien Bauvorhaben eine sensible Angelegenheit. Angesichts dessen lobte Steinkrüger die gute Zusammenarbeit und enge Abstimmung mit dem Grün- und Umweltamt.
Das Besucherzentrum selbst wird sich auf etwa 140 Quadratmeter erstrecken und eine ganzheitliche Aussicht auf das weite Friedhofsareal geben. 90 Quadratmeter davon sind als Ausstellungsfläche gedacht, wo insgesamt zehn Stationen die reichhaltige Geschichte des Judentums in Mainz erzählen und die enge Verbindung zwischen jüdischer Kultur und Mainzer Geschichte hervorheben.
Angesichts eines sich ausbreitenden Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft betonte Haase die Wichtigkeit einer aktiven Erinnerungskultur: „Der Ort soll nicht nur eine Stätte des Gedenkens und des Lernens, sondern auch der Begegnung zwischen Angehörigen der jüdischen Gemeinde in unserer Stadt und interessierten Mainzern und Mainzerinnen werden.“ Die geplanten Kosten liegen bei 5 Millionen Euro, für welche der Stadtrat Mittel von etwa einer Million Euro bereitstellen wird.
Im Fokus der Aufwertung stehen auch die Grabsteine. Angesichts der Geschichte des Friedhofs, die bis ins 11. Jahrhundert zurückreicht, sind zwar viele der fast 1.700 Grabsteine erstaunlich gut erhalten. Da die historisch wertvollen Inschriften jedoch unter der ständigen Witterung leiden, hat man die Restauration aller Objekte in Auftrag gegeben. „Im vergangenen Jahr wurden 100 Steine restauriert, dieses Jahr 40, nächstes Jahr sind weitere 100 geplant. Damit wäre dann die Arbeiten an den besonders gefährdeten Objekten abgeschlossen, sodass wir die Restauration aller Grabsteine 2033 abschließen werden“, fasste Grosse zusammen. Auch die Transkribierung der Inschriften vom Hebräischen ins Deutsche und ihre Digitalisierung sind in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Duisburg-Essen geplant.
Mainz gehört zusammen mit Worms und Speyer zu den sogenannten SchUM-Stätten – ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen hebräischen Städtenamen. Gemeinsam bildete der Städteverbund die Wiege des aschkenasischen Judentums, einer einflussreichen Strömung des jüdischen Glaubens.
Seit 2021 haben die drei Städte mit ihren jüdischen Kulturstätten wie den mittelalterlichen Synagogen, Ritualbädern und Friedhöfen den Status eines UNESCO-Weltkulturerbes. Sie sind das erste jüdische Welterbe in Deutschland und, neben dem jüdisch-mittelalterlichen Erbe in Erfurt, auch das einzige. Auf dem Friedhof in Mainz fand unter anderem der Rabbi Gerschom Ben Jehuda seine letzte Ruhestätte, der im 10. Jahrhundert in Deutschland lebte und dessen Rechtsauskünfte auch heute noch für viele Juden von großer Bedeutung sind.
Autor: Felix Werner