BRETZENHEIM – Die Jüdische Synagoge an der Kreuzung An der Oberpforte und Wilhelmsstraße wurde 1788 erbaut und in den Napoleonischen Kriegen 1795 zerstört. Nach dem Wiederaufbau 1820 beschädigten Nationalsozialisten und ihre Anhänger sie in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 erneut. Kurz darauf wurde die Bretzenheimer Synagoge endgültig abgerissen. 85 Jahre später trafen sich nun rund 100 Bürgerinnen und Bürger zu einer Gedenkveranstaltung an der Stele für die Synagoge – darunter Ortsvorsteherin Claudia Siebner (CDU), Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD), Vertreter des Ortsbeirates sowie eine große Abordnung der IGS Mainz-Bretzenheim inklusive Schulleiter Roland Wollowski plus vier Lehrerinnen und Lehrer.
„Der 9. November 1938 ist einer der eindringlichsten Tage in der deutschen Geschichte, der nicht in Vergessenheit geraten darf“, mahnte Ortsvorsteherin Claudia Siebner zu Beginn. Es gab rund 1300 Tote. 1400 Gotteshäuser wurden zerstört und mehr als 7000 Geschäfte verwüstet. Insgesamt wurden in der Zeit des NS-Terrorregimes mehr als sechs Millionen Menschen in den KZs ermordet, erinnerte Siebner. Das Mahnen und Gedenken sei angesichts der aktuellen Ereignisse wichtiger denn je. „Nie wieder sollten sich diese Ereignisse wiederholen: Für Hass ist in Bretzenheim kein Platz und natürlich auch in ganz Mainz nicht.“
„Die Angriffe der Hamas in Israel haben das Leben verändert“, sagte Kulturdezernentin Marianne Grosse. Sie erinnerte daran, dass auch in der Reichspogromnacht unschuldige Menschen gedemütigt, verhaftet und misshandelt wurden. „Die Reichspogromnacht dokumentiert den Übergang von der Diffamierung der jüdischen Bürger zur systematischen Verfolgung.“ Auch die Mainzer Hauptsynagoge in der Hindenburgstraße wurde in dieser Nacht zerstört. Grosse forderte, ein Zeichen für eine lebendige Erinnerungskultur zu setzen.
„Wir wollen unsere Augen nicht vor der Vergangenheit verschließen“, sagten die IGS-Schülerinnen und Schüler, darunter der Leistungskurs Geschichte der zwölften Jahrgangsstufe. „Nicht das Schicksal, sondern menschliches Handeln haben die Synagogen in Brand gesetzt.“ Die Schülerinnen und Schüler erinnerten an den 9. November 1938, die NS-Geschichte insgesamt sowie an die Verlegung der Stolpersteine als Orte des Erinnerns. Sie sprachen sich gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung jeglicher Art aus. Mit einem Besuch der Stolpersteine in der Wilhelmsstraße, im Bäckergässchen und in der Zaybachstraße endete die Gedenkveranstaltung.
Oliver Gehrig