
RÜSSELSHEIM – In der Rüsselsheimer Kita Ahornallee spielen, singen und sausen üblicherweise 80 Kinder. Nun sind täglich nur noch drei Jungen und Mädchen da. Das Land Hessen hatte zuvor sämtliche Betreuungseinrichtungen und Schulen geschlossen, um die Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus zu schützen. Dies machte eine Notbetreuung dieser Kinder erforderlich, da ihre Eltern dringenden Betreuungsbedarf gemeldet hatten. Die Organisation erfolgte in Windeseile und stellte alle vor große Herausforderungen.
Am späten Freitagnachmittag des 13. März hatte die Landesregierung erste umfassende Maßnahmen im Kampf gegen das Corona-Virus erlassen. Dazu zählten weitgehende Beschränkungen, die enge Kontakte der Menschen vermindern sollen. Bis zum Ende der Osterferien wurden daher unter anderem Krippen, Kitas, Tagespflegeeinrichtungen und Schulen geschlossen. Ab sofort stand die Kinderbetreuung nur noch Personen zur Verfügung, die unbedingt auf eine Betreuung ihrer Kinder angewiesen waren. Damit sollten wenigstens den Eltern, die beruflich zur Aufrechterhaltung kritischer Infrastruktur oder der Daseinsvorsorge benötigt werden, eine wichtige Entlastung geboten werden.
Stadtweite Notfallbetreuung über das Wochenende organisiert
„Glücklicherweise haben wir bereits in den Tagen zuvor mit unserem Fachbereich Bildung und Betreuung darüber gesprochen, dass etwas kommen könnte“, erklärt Mechthild Oßendoth, Leiterin der Kita Ahornallee. Die Rüsselsheimer Betreuungseinrichtungen hatten daher vorsorglich Kontaktlisten mit allen erforderlichen Ansprechpersonen erstellt und übermittelt. Bereits am Wochenende konnten so erste wichtige Informationen an die Erzieherinnen und Eltern weitergeben werden.
Vor allem am Samstag und am Sonntag wurde dann mit Hochdruck an den Vorbereitungen für die Notbetreuung gearbeitet. Informationen wurden gesammelt, aufbereitet und verschickt, Formulare für die Anmeldung entworfen, Elternbeiräte und Eltern informiert sowie Aushänge an den Kindertagesstätten angebracht. Eine große Herausforderung stellte die Organisation der ersten Tage da. Von den 11 Erzieherinnen der Kita Ahornallee gehören sechs zu den sogenannten Risikogruppen, eine weitere war mit einer Erkältung angeschlagen. „Wir fragten uns natürlich alle, wie groß das Risiko einer Ansteckung oder Weitergabe des Virus für uns ist und wie viele Kinder tatsächlich kommen würden. Aber die Stadtverwaltung hat sehr schnell Klarheit geschaffen und diese Mitarbeiterinnen von der Arbeit freigestellt“, sagt Mechthild Oßendoth. Am Montag stand dann das Kitateam um 7 Uhr am Eingang parat, um die Kinder in Empfang zu nehmen. Schließlich waren es nur drei Kinder, die die Kita aufnehmen musste und die ab der zweiten Woche von zwei kleinen Teams im tageweisen Wechsel betreut werden sollten. „Theoretisch hätten mehr Eltern einen Anspruch auf Notbetreuung gehabt, aber einige der Familien konnten sich anders organisieren“, so Oßendoth.
Normalität in der Ausnahmesituation schaffen
Nach einer anfänglichen Unsicherheit auf allen Seiten, hat sich inzwischen ein fester Rhythmus entwickelt. Um 7.15 kommt das erste Kind, das letzte Kind wird gegen 16.30 Uhr von seinen Eltern abgeholt. Dazwischen spielt das Mittagessen um 12 Uhr als gemeinsamer Fixpunkt eine wichtige Rolle. Vorher und nachher können die Kinder frei nach ihren Bedürfnissen sämtliche Angebote der Kita frei wählen und nutzen. Als Kita, die nach dem offenen Konzept arbeitet, machte es sich dabei positiv bemerkbar, dass die drei Jungs und Mädchen das ganze Haus und sowie sämtliche Erzieherinnen gut kannten. „Mit der Ausnahme, dass nur wenige Kinder da sind, ist es für sie ein fast normaler Alltag“, stellt die Kitaleiterin Mechthild Oßendoth fest. „Aber wir versuchen die Situation auch wie ein großes Abenteuer zu gestalten.“ Dabei kommt dem Außengelände eine besondere Bedeutung zu. Noch mehr als sonst geht es jetzt auch mal raus. Frische Luft und Bewegung stärken nicht nur das Immunsystem der Kinder, sondern hilft auch dabei, die Abstände zwischen allen Personen möglichst groß zu halten. Zwar lässt es sich nicht ganz verhindern, dass die Kinder sich sehr nahekommen, aber auf Vorlesen auf dem Schoß der Erzieherin oder das gemeinsame Kuscheln im Snoezelraum wird jetzt verzichtet. Nicht neu ist, dass besonders auf Hygiene geachtet wird. Das Desinfizieren von Türklinken und Möbeloberflächen sind jedoch nun neue feste Bestandteile des Kinder- und Erzieherinnenalltags.
Doch trotz einiger Veränderungen im Alltag, sind die üblichen Rituale und das Festhalten am Gewohnten dem Kitateam wichtig. Ruhe reinbringen, für Struktur und Stabilität sorgen, das sind wichtige pädagogische Aufgaben in diesen Tagen. Das Thema Corona wird dabei allerdings nicht aktiv angesprochen. Die Erzieherinnen verfolgen einen situationsorientieren Ansatz, womit sie das Thema nicht umgehen, aber erst dann aufgreifen, wenn die Kinder es selber ansprechen. Das kann durchaus auf sehr spielerische Art und Weise erfolgen. „Vergangenen Freitag haben die Kinder im Rollenspiel das Pflegen einer durch das Corona-Virus erkrankten Person nachgespielt und am Ende war diese auch wieder gesund“, berichtet Mechthild Oßendoth von den Beobachtungen der vergangenen Tage.
Zusammenhalt ist jetzt das Wichtigste
Dass die aktuelle Situation für die Eltern der Kita Ahornallee nicht leicht ist, weiß Mechthild Oßendoth aus regelmäßigen Telefonaten mit dem Kitabeirat oder einzelnen Familien. „Von Panik ist allerdings keine Spur. Sie nehmen die Situation an, wie sie ist und arrangieren sich damit. Die allermeisten von ihnen zeigen Verständnis, dass sie ihre Kinder aktuell nicht in die Kita bringen können. Dennoch sind sie dankbar, dass wir hier die Stellung für diejenigen halten, die darauf dringend angewiesen sind“, berichtet sie. Diese Wertschätzung kommt auch bei den Erzieherinnen an und tut ihnen gut. „Für meine Kolleginnen ist es gerade sehr wichtig, mit einer positiven Grundstimmung zur Arbeit zu kommen. Jede Anerkennung stärkt sie daher in dieser Haltung“, erklärt die Kitaleiterin. Denn nur so könnten die Erzieherinnen den Kindern positiv zugewandt arbeiten. Und gerade jetzt wollten diese in der für alle schweren Zeit ihren Teil dazu leisten, mit ihrer Arbeit zur Entlastung aller beizutragen. Was nicht immer leicht sei, denn im Hinterkopf sei auch stets der Gedanke an das eigene Infektionsrisiko. „Doch das Lächeln der Kinder, wenn sie morgens kommen, vertreibt jeden Gedanken an eine mögliche Ansteckung“, findet Oßendoth stellvertretend für die Kolleginnen. Ihr Team erfülle gerade eine ganz wichtige Aufgabe, dass sage sie ihren Erzieherinnen auch immer wieder. „Nur gemeinsam schaffen wir das“, betont sie daher. Aber praktizierte Solidarität als Motto gilt nicht ja in diesen Tagen nicht nur für Erzieherinnen und Erzieher, sondern auch für alle Rüsselsheimer Familien.
Magistrat der Stadt Rüsselsheim am Main
Fachbereich Zentrales