Start Hessen Ehemals Obdachloser berichtet über Erfahrungen

Ehemals Obdachloser berichtet über Erfahrungen

V.l.n.r.: Christian Mayer (Fachbereichsleiter Soziales und Gesundheit der Stadt Rüsselsheim am Main), Kerstin König (Leiterin der Unterkunft der Diakonie am Rugbyring), Bürgermeister Dennis Grieser, Richard Brox und Lucian Lazar (Leiter Diakonisches Werk Groß-Gerau/Rüsselsheim) - Foto: Stadt Rüsselsheim am Main

Rüsselsheim. 30 Jahre war er obdachlos. Mittlerweile ist Richard Brox Bestseller-Autor und baut in Köln ein Wohnprojekt für ältere Wohnsitzlose mit schweren Krankheiten im Endstadium auf. Über seine Erfahrungen auf der Straße berichtete er in einem Gespräch mit Bürgermeister und Sozialdezernent Dennis Grieser und Lucian Lazar, Leiter des Diakonischen Werks Groß Gerau / Rüsselsheim. In der Unterkunft am Rugbyring machte Brox deutlich, dass Menschen schnell in die Obdachlosigkeit geraten könnten und forderte deshalb, dass in den Landesverfassungen die Gewährleistung von Arbeit und Wohnung für alle Bürgerinnen und Bürger verankert werden müsse. Wer erst einmal auf der Straße lebe, schaffe nur schwer den Weg zurück in ein Leben mit Wohnung und Arbeit. Als schlimmste Erfahrung nannte Brox, dass Obdachlose niemandem trauen oder glauben könnten. Diebstahl, Belästigungen und Gewalt unter Obdachlosen stünden auf der Tagesordnung. Nur unter Berbern habe Brox Ehrlichkeit und Wertschätzung erfahren.

Der 54-Jährige bescheinigte dem Kreis Groß-Gerau und Rüsselsheim eine gute Arbeit. Denn er hatte während seiner Obdachlosigkeit unter anderem in der Unterkunft am Rugbyring übernachtet. Trotzdem stehe außer Frage, dass Politik und Öffentlichkeit den Menschen, die auf der Straße leben, mehr Augenmerk geben müssten.

Allen Anwesenden machte die bundesweit steigende Zahl der Obdachlosigkeit in Deutschland Sorgen. Der Autor sieht als zentrales Problem die zu geringen Hilfeleistungen seit der Einführung von Hartz IV. Grieser fügte die hohen Mietpreissteigerungen an.

Oberstes Ziel ist für Bürgermeister Grieser, dass Menschen erst gar nicht in die Obdachlosigkeit geraten. Sollte es dennoch soweit gekommen sein, bedürfe es einer engmaschigen Betreuung. Er sagte: „Wir werden die Herausforderung bewältigen und die Stadtverordneten mit einem umfassenden Konzept befassen.“ Bereits gesetzt sei, dass es für die Container der Unterkunft am Rugbyring einen Ersatz geben soll. In der Unterkunft biete die Diakonie nach Auskunft Lazars im Auftrag des Landeswohlfahrtsverbands niedrigschwellige und umfassende Angebote für Obdachlose an. Neben der Versorgung mit Essen und Kleidung sei auch die Beratung ein wichtiger Bestandteil. Gerade die Beratung würde auch von Personen genutzt, die aufgrund unterschiedlicher Problemlagen von einer Obdachlosigkeit bedroht sind.

Sowohl die Diakonie als auch die Stadt wollen für die Menschen Anschlussperspektiven schaffen. Dafür entwickelt die Stadt das Wohnungshilfekonzept weiter und wird die Diakonie als Kooperationspartner einbinden. Einigkeit bestehe darin, dass es nicht nur darum gehe eine Wohnung zu vermitteln. Parallel müssten die Betroffenen auch an den Ursachen arbeiten, die vorher zur Obdachlosigkeit geführt haben. Nur so stiegen die Erfolgschancen, dass sie schnell und dauerhaft wieder sesshaft werden und Halt in der Gesellschaft finden.

Der Bürgermeister wies darauf hin, dass sich das Sozialamt und damit die Hartz IV-Leistungen in Trägerschaft des Kreises Groß-Gerau befänden. Schwerpunkte des städtischen Fachbereichs Soziales und Gesundheit seien die Prävention von Obdachlosigkeit und die Betreuung derer, denen kurzfristig eine Obdachlosigkeit droht. Am Flörsheimer Weg betreibe die Stadt zwei Unterkünfte zur kurzfristigen Unterbringung. Die Menschen würden dort sozialpädagogisch betreut und erhielten Unterstützung und Beratung, um wieder den Weg zurück in die Gesellschaft zu finden. Derzeit stehe hierfür eine Personalstelle zur Verfügung, eine weitere ist für den Haushalt 2019 angemeldet. Sie soll ausgeschrieben werden, sobald der Haushalt durch das Regierungspräsidium genehmigt ist. Präventiv solle auch aufsuchende Straßensozialarbeit wirken. Hierzu müsse die Stadtverordnetenversammlung noch eine entsprechende Beschlussvorlage beraten. Bereits gefasst ist der Beschluss zu mehr bezahlbarem Wohnraum. So sei in den Neubaugebieten am Ostpark und auf der Eselswiese 25 Prozent des Wohnraums für Sozialwohnungsniveau vorgesehen.

Brox Buch „Kein Dach über dem Leben“ ist mit einem Vorwort von Günter Wallraff im Rowohlt-Verlang erschienen. Die Einnahmen aus dem Buchverkauf kommen der Einrichtung in Köln für ältere kranke Obdachlose zugute. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat das Buch in der Lehrbuchliste aufgenommen. Grieser kündigte an, dass die Stadtbücherei einen Klassensatz dieses Buches zum Ausleihen für den Schulunterricht anbieten werde.

Silke Fey
Stadt Rüsselsheim am Main